Siemens & Halske AG (Wernerwerk »M«)_01
2010 Norbert Gilson
08.12.2022

Siemens & Halske AG (Wernerwerk M)

Wernerwerkdamm 5, 13629 Berlin-Siemensstadt
 

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik
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Der markante, 70 m hohe Turm des in den Jahren zwischen 1914 und 1929, zunächst unter der Leitung von Karl Janich, dann in Fortsetzung von Hans Hertlein errichteten Wernerwerks II der  Siemens & Halske AG ist zu einem Wahrzeichen für die östliche Siemensstadt geworden und steht heute unter Denkmalschutz.

Beschreibung

erbaut: 1914, 1916-18
Architekten: Karl Janich, Hans Hertlein

Der auch als »Wernerwerk II« oder »Messgerätewerk« bezeichnete Produktionskomplex diente als Erweiterungsbau für das von 1903 bis 1905 errichtete und in den 1970er Jahren abgerissene Wernerwerk »F« (Wernerwerk I).

Insbesondere die Entwicklung des Messtechnikbereichs machte es kurz vor dem Ersten Weltkrieg erforderlich, diese Abteilung aus dem ursprünglich für die Vorfertigung und Montage aller Produkte des Fernmelde- und Messtechnikbereichs konzipierte Wernerwerk »F« auszulagern. Unter der Leitung von Karl Janich begann 1914 die Neubaumaßnahme. Die Bauarbeiten wurden kurz nach Kriegsbeginn eingestellt, jedoch 1916 wieder aufgenommen und 1918 abgeschlossen, jetzt unter Leitung von Janichs Nachfolger Hans Hertlein.
Der Komplex wurde, ähnlich wie das Wernerwerk I, als Geschossbau mit 12 Innenhöfen geplant. Erst nach Baubeginn wurde die Planung dahingehend geändert, in den Bau ein neues Heizkraftwerk zu integrieren, da die alte, am Stichkanal gelegene Kraftwerksanlage nicht mehr ausreichte. Um den Schornstein zu „tarnen”, aber auch um einen Wasserbehälter aufzunehmen, entwarf Hertlein einen rund 70 m hohen Turmbau, der dann auch mit einer elektrisch betriebenen und beleuchteten Uhr mit Schlagwerk ausgestattet wurde.
Der Turm, seitdem Wahrzeichen von Siemensstadt, wurde mit Vollendung des ersten Bauabschnitts 1918 fertig gestellt. In den Jahren 1921 bis 1923 sowie 1928 folgten noch zwei weitere Bauabschnitte, nach deren Abschluss sieben der geplanten zwölf Höfe vollendet waren. Weitere Baumaßnahmen unterblieben, so dass das Wernerwerk »M« insgesamt unvollendet blieb. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Bau stark in Mitleidenschaft gezogen. Der östliche und nördliche Teil wurden weitgehend zerstört, in der Mitte der 1950er Jahre dann in veränderter Form wieder aufgebaut. Lediglich der Turm blieb unbeschädigt und damit in seiner Originalsubstanz erhalten.

Nach Fertigstellung der ersten Trakte des Neubaus noch während des Ersten Weltkrieges wurden hier zunächst Funkgeräte für den Heeresbedarf sowie Granatzünder gefertigt. Nach dem Krieg siedelte die Messinstrumentenabteilung in das Gebäude über und bis 1923 folgten die Vertriebsabteilungen der Elektromedizin und des Wassermesserbaus. Seit Mitte der 1920er Jahre nahmen unter den Messinstrumenten die Temperaturmessung und die Gasanalyse einen immer stärkeren Platz ein.
Von großer Bedeutung für die Betriebssicherheit und Stabilität des entstehenden Hochspannungs-Verbundnetzes wurde die Entwicklung der Selektivschutztechnik. Diese Geräte dienten dazu, durch Erd- oder Kurzschluss gestörte Leitungsabschnitte zu erkennen und ihre gezielte Abschaltung automatisch so zu veranlassen, dass die übrigen Teile des Netzes ungestört weiter betrieben werden konnten. Bei der Abgrenzung der Entwicklungsarbeiten gab es allerdings Auseinandersetzungen mit dem Tochterunternehmen der Siemens-Schuckertwerke GmbH, die erst 1929 beigelegt werden konnten.

Nachdem die Weltwirtschaftskrise das Wernerwerk »M« empfindlich getroffen hatte - die Beschäftigtenzahl wurde von bis 1933 von 6.000 im Jahr 1925 auf nur noch 3.000 halbiert - profitierten alle Werksabteilungen seit 1935/36 von der verstärkt betrieben Aufrüstung. 1938 umfasste die Produktionspalette der Messinstrumentenabteilung zum einen alle Arten von elektrischen Messinstrumenten (auch Strom- und Spannungswandler sowie Fernmessgeräte), weiterhin wärmetechnische Messgeräte (darunter auch Fernsteuereinrichtungen für die Wärmetechnik) sowie Mengenmessgeräte, Regler und Rohrbruch-Sicherungen für Wasser, Dampf, Gas und Luft.
Ein größerer Teil der Produktion ging an die „hauseigenen” Betriebe. So wurden elektrische Messgeräte an die Siemens-Schuckertwerke AG für den Einbau in Umspannwerke und Schaltanlagen oder Luftfahrtgeräte oder Geräte für den Wehrmachtsbedarf an die Siemens Apparate und Maschinen GmbH geliefert. Wie fast alle anderen Siemens-Betriebe, wurde auch das Wernerwerk »M« während des Zweiten Weltkrieges in die Herstellung von Rüstungsgütern einbezogen. Nach dem Luftangriff vom 15./16. Februar 1944, bei dem das Werk größtenteils ausbrannte, kam die Produktion hochwertiger Messgeräte im Wernerwerk zum Erliegen.

Mit der Verlagerung einzelner Produktions- und Verwaltungsabteilungen in die Westzonen (München und Erlangen) entstand auch in Karlsruhe ein neuer Zweig-Standort des Wernerwerks. Nach Wiederherstellung der Gebäude nahm auch in Berlin die Messinstrumentenabteilung ihre Produktion wieder auf. Infolge des Baus der Berliner Mauer konnten die aus dem Ostteil der Stadt kommenden Mitarbeiter ihre Arbeitsplätze nicht mehr erreichen. Als unmittelbare Folge wurde die Messwandlerfertigung nach Karlsruhe verlegt.

Die Umorganisation des Messgerätewerks im Oktober 1962 und seine Aufgliederung in die beiden Teilbetriebe »Werk für Messgeräte« und »Werk für Messwertverarbeitung und Prozessautomatisierung« war bereits Teil einer umfassenden Reorganisation der Siemens-Betriebe, die sich in den folgenden 25 Jahren fortsetzte. Mit der organisatorischen Änderung von 1962 wurde der zunehmenden Bedeutung der elektronischen Messwertverarbeitung und dem Einsatz elektronischer Schaltkreise und Prozessrechnern in der Mess-, Regelungs- und Automatisierungstechnik Rechnung getragen.
Bei der 1969 erfolgten Neuorganisation mit Gründung der Siemens AG - dies ging mit der Streichung der Namen Halske und Schuckert aus den bisherigen Firmenbezeichnungen einher - wurde das Messgerätewerk zusammen mit dem Schaltwerk und dem Dynamowerk dem neugeschaffenen »Unternehmensbereich Energietechnik« zugeordnet. Nachdem 1970 die in Berlin-Mariendorf ansässigen Askania-Werke von Siemens übernommen worden waren, wurde dieser Betrieb in das Prozessgerätewerk Berlin (PWB) umgewandelt und ein Teil der Produktion aus Siemensstadt dorthin verlegt. 1975/76 wurde aber die gesamte Fertigung zugunsten des Standortes Siemensstadt aus Mariendorf abgezogen und das dortige Werk geschlossen.

Während seit Ende der 1970er Jahre für die Fertigungen neben dem Wernerwerk »M« moderne, zweigeschossige Hallenbauten errichtet wurden, wird der Geschossbau seitdem im Wesentlichen für Büro- und Laborzwecke genutzt.

Informationsstand: 22.07.2015
Schlagworte: Elektroindustrie; Messtechnik; Messsysteme; Industry
Stichworte: Karl Janisch; Hans Hertlein; Wernerwerk II; Messgerätewerk; Wernerwerk M; Messtechnik; Erster Weltkrieg; Funkgerät; Granatzünder; Messinstrumentenabteilung; Elektromedizin; Wassermesserbau; Temperaturmessung; Gasanalyse; Selektivschutztechnik; Hochspannungs-Verbundnetz; Weltwirtschaftskrise; Aufrüstung; Stromwandler; Spannungswandler; Fernmessgeräte; wärmetechnische Messgeräte; Fernsteuereinrichtung; Mengenmessgeräte; Regler; Rohrbruch-Sicherung; Siemens-Schuckertwerke AG; Umspannwerk; Schaltanlage; Luftfahrtgerät; Siemens Apparate und Maschinen GmbH; Messwandlerfertigung; Werk für Messgeräte; Werk für Messwertverarbeitung und Prozessautomatisierung; elektronischer Schaltkreis; Prozessrechner; Regelungstechnik; Automatisierungstechnik; Siemens AG; Unternehmensbereich Energietechnik; Askania-Werke AG; Prozessgerätewerk Berlin; PWB

Quelle(n)

  • Wolfgang Schäche (Hrsg.) / Manfred Strielinsky / Dietrich Worbs (Redaktion), Denkmalschutzkonzeption. Siemensbauten in Siemensstadt. Teil 1: Industriegebäude, Berlin 1994
  • Wolfgang Schäche / Wolfgang Ribbe, Die Siemensstadt. Geschichte und Architektur eines Industriestandortes, Berlin 1985
  • Thorsten Dame, Elektropolis Berlin. Architektur- und Denkmalführer, Berlin 2014

Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09085836

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