Für gemischte Systeme mit einer teilweisen Verkabelung (Bild 1) gelten dieselben Einschränkungen, wobei durch die Übergangsstellen eine zusätzliche Komplexität beim Aufbau und Betrieb hinzukommt. Zur Vermeidung der hieraus resultierenden Einschränkung der Systemsicherheit ist es vor einem standardmäßigen Einsatz ebenfalls unerlässlich, Pilotinstallationen zu errichten und Erfahrungen mit den Komponenten und deren Betrieb zu sammeln.
Die Anwendung darüber hinausgehender innovativer Technologien ist für die speziellen Anforderungen in vermaschten Systemen und längeren Strecken auf Höchstspannungsebene zu überprüfen. Das Leiterseilmonitoring zur erhöhten Ausnutzung des thermischen Betriebsbereichs von Freileitungen wird mehr und mehr in der Praxis angewendet. Der Möglichkeit zur Erweiterung des Betriebsbereichs ist sorgfältig zu evaluieren, um ein Gefahrenpotential durch lokal überhitzte Leiterseilabschnitte auszuschließen. Die steigenden Verluste, die verringerte Betriebsreserve und betriebliche Probleme durch hohe Spannungswinkel und somit schwächere Synchronisierung sind gegenüber dem Nutzen abzuwägen und planerisch und betrieblich zu berücksichtigen.
Die Verwendung von Hochtemperaturleiterseilen unterschiedlicher Bauart erfordert zunächst die Gewinnung weitgehender Erfahrungen bei der Installation und beim Betrieb. Eine höhere Betriebstemperatur bei gleichem Durchhang ermöglicht eine höhere Stromtragfähigkeit und Übertragungsleistung. Dem gegenüber stehen überproportional steigende Verluste mit steigendem Strom und wiederum erhöhte Spannungswinkel. Geringe Biegeradien, teilweise sprödes Materialverhalten und verändertes Verhalten an den Klemmvorrichtungen sind bei der Installation zu beachten und im Betrieb auf ihr Langzeitverhalten hin zu überprüfen, um Gefahren für Menschen und Betrieb auszuschließen. Da bislang nur wenig Installations und Betriebserfahrungen bestehen, sind wiederum zunächst Pilotinstallationen vorzunehmen, um insbesondere Gefährdungen durch diese Technologie auszuschließen.
Eine Alternative zu Kabelsystemen sind Gasisolierte Leitungen (GIL). Die aus gasisolierten Schaltanlagen abgeleitete Technologie ist weitestgehend bekannt. Die Übertragungsleistungen sowie das elektrische Verhalten sind ähnlich wie bei Freileitungen, so dass sich eine relativ einfache Systemintegration ergibt. Die Trassenbreite ist aufgrund der höheren Leistung geringer als bei vergleichbaren Kabelsystemen. Diese Technologie weist je nach Situation und Ausbau ähnliche Investitionskosten wie Hochspannungskabelstrecken vergleichbarer Leistung auf. Installationserfahrungen werden gerade in Deutschland mit einer ersten erdverlegten Anlage von knapp 1 km gesammelt.
Eine langjährig erprobte Technologie ist die Hochspannungsgleichstromübertragung (HGÜ) mit Thyristoren. Die Energieübertragung über weite Distanzen ist mit dieser Technologie weltweit vielfach im Einsatz. HGÜ-Freileitungen mit einer Leistung bis zu 6.400 MW befinden sich im Bau. Seekabelstrecken bis zu 1.000 MW stehen kurz vor dem Einsatz. Konventionelle HGÜ mit Freileitungen werden zur Verbindung asynchroner Netze aber auch parallel zu vermaschten Höchstspannungsnetzen eingesetzt. Neben den konventionellen HGÜ mit Thyristoren werden zunehmend auch HGÜ mit bipolaren Transistoren mit isoliertem Gate (Insulated Gate Bipolar Transistor, IGBT) und wesentlich kompakteren Gleichspannungszwischenkreisumrichtern (Voltage Source Convertern, VSC) im unteren Leistungsbereich eingesetzt. Derartige HGÜ eignen sich in Verbindung mit VPE-Kabeln insbesondere für Offshore-Anwendungen. Die bislang größte realisierte Anbindung eines Offshore Windparks ist mit einer Übertragungsleistung von 400 MW jedoch noch vergleichsweise gering, wobei mittlerweile eine Leistung von 1.200 MW bei einer Spannung von ±320 kV technisch möglich ist.
HGÜ-Kabelstrecken weisen für den weiträumigen Stromtransport insbesondere bei längeren Verbindungen Vorteile gegenüber Drehstromkabelverbindungen auf. Der Einsatz von HGÜ-Übertragungsstrecken im stark vermachten Drehstromnetz - Parallelbetrieb Drehstromleitung/HGÜ-Leitung - muss noch in der Praxis untersucht werden. HGÜ (mit Tyristoren oder IGBTs) rechnen sich insgesamt bei langen Übertragungsstrecken durch geringere Kosten für die HGÜ-Freileitung und die geringeren Übertragungsverluste, die die hohen Umrichterkosten und -verluste mehr als kompensieren. Bei Offshore-Anwendungen sind HGÜ-Seekabel in der Regel schon aus technischen Gründen die alleinige Lösung.
Die Lastflüsse in Drehstromnetzen lassen sich durch geschaltete oder leistungselektronisch gesteuerte Netzregler, sogenannte FACTS-Geräte, beeinflussen. Der Bedarf an flexibel einsetzbaren Kompensationseinrichtungen und leistungsflusssteuernden Elementen wird stark ansteigen. Viele Ausführungsvarianten dieser Geräte befinden sich weltweit im Einsatz, andere sind jedoch bisher nur in der Theorie entworfen. Mit Hilfe dieser Geräte könnten Netzbereiche häufig im Betrieb gleichmäßiger und höher ausgelastet werden. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass sich hierdurch der Betrieb immer in Richtung von Stabilitätsgrenzen verschiebt, so dass aus netzplanerischer Sicht eine grundsätzliche Erhöhung der Übertragungskapazität häufig nur begrenzt zu erzielen ist und gegenüber der Netzsicherheitssituation abzuwägen ist. Der spezifische Einsatz ist streng nach Kosten und Nutzen zu bewerten.
Es ist denkbar, dass das bestehende Übertragungsnetz mit fortschreitender Veränderung insbesondere der Erzeugungsstruktur an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit stößt. Für zukünftige Transportaufgaben kann daher die Schaffung eines Overlaynetzes notwendig werden. Die technologische Realisierung hängt von den systemtechnischen Anforderungen sowie der Entwicklungsmöglichkeit der oben beschriebenen Technologien ab.
Insgesamt sind über die vorgestellten Technologien hinaus keine weiteren revolutionären Technologieschritte zu erwarten. Die heutigen innovativen Technologien bieten von Fall zu Fall Vorteile bei der Anwendung gegenüber heutigen Freileitungen, jedoch müssen speziell zur Gewährleistung der System- und Betriebssicherheit Erfahrungen durch Pilotinstallationen gesammelt werden. Langfristige Kosten für Betrieb, Wartung und Instandhaltung sind zu ermitteln. Gefährdungen von Menschen sind auszuschließen. Pilotinstallationen und zugehörige Aufwendungen für Investitionen, Planung, Betrieb sowie Forschung und Entwicklung führen zunächst zu erhöhten Gesamtkosten, denen jedoch ein bestimmter Nutzen, wie z.B. ein geringerer Trassenverbrauch oder eine geringere visuelle Umweltbeeinflussung gegenüberstehen. Im Rahmen der Erarbeitung des Positionspapiers in der ETG Task Force ist deutlich geworden, dass die Kette von Forschung und Entwicklung, über Pilotanlagen bis hin zum großtechnischen Einsatz in der heutigen Welt unterbrochen ist. Eine Idee bzw. technische Entwicklung wird nur über die kommerzielle Nutzung zur Innovation. Die Unterstützung des innovativen Schrittes durch Pilotanlagen fehlt jedoch im gegenwärtigen regulatorischen Umfeld, so dass viele der aufgelisteten Technologien auf die Erkenntnisse von Pilotinstallationen für die Anwendung speziell in vermaschten und volatil betriebenen Netzen wie in Deutschland und Westeuropa warten, bevor ein großtechnischer Einsatz möglich ist.
Die Autoren empfehlen daher dringend, dass die genannten Kosten für innovative Technologien und Pilotinstallationen vom Regulator als Bestandteil des Netznutzungsentgeltes anzuerkennen sind. Nur so wird es ermöglicht, ein Klima für Innovationen und neue Technologien zu schaffen, das Basis für die zukunftsfähige Übertragungsnetzentwicklung in Deutschland ist.
Eine Forcierung der Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in diesem Bereich führt darüber hinaus zu einem nicht unerheblichen Vorteil für Hersteller und Universitäten in Deutschland. Die Beteiligung der Netzbetreiber an öffentlichen Forschungsprojekten in Deutschland und der EU ermöglicht den Übergang von Forschung und Entwicklung zu Pilotanwendungen. Hierdurch wird die Innovation in Richtung eines kommerziellen Einsatzes und Betriebs neuer Technologien beschleunigt.
Über die Netztechnologien hinaus erfordern Unsicherheiten bezüglich zukünftiger Entwicklungen und ein zunehmend volatiler Betrieb neue Arten der Planung und Risikobewertung. Damit die Netzsicherheit nicht sinkt, müssen zu jedem identifizierten Risiko ausreichende und eindeutige Abhilfemaßnahmen definiert werden. Betriebliche Maßnahmen müssen gegenüber Netzinvestitionen mit wahrscheinlichkeitstheoretischen Verfahren wirtschaftlich abgewogen werden. Netz- und marktbezogene Maßnahmen nach EnWG § 13 dürfen nur der Ausnahmefall sein und nur bei Gefährdung der Systemsicherheit ergriffen werden. Hierzu können neue Planungs- und Bewertungsverfahren Abhilfe schaffen. Eine Ausbauplanung auf Basis weniger deterministischer Netznutzungsfälle ist zukünftig nur noch bedingt möglich.
Neben den Möglichkeiten des Auftretens von Engpässen sind auch die Häufigkeit und die Dauer des Auftretens von Bedeutung. Lastflussberechnungen auf Basis der Ergebniszeitreihen energiewirtschaftlicher Marktmodelle oder probabilistischer Modelle bieten in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, stochastische Eigenschaften von Verbrauchern und Einspeisern besser abzubilden und so ein umfassenderes Bild der Gesamtsituation im Übertragungsnetz zu erhalten. Energiewirtschaftliche Marktmodelle sind bereits einsatzbereit, Verfahren zur probabilistischen Netzberechnung sind momentan noch in der Entwicklung.
Die Einbeziehung von klimatischen Abhängigkeiten zwischen Netzbelastung und Netzbelastbarkeit in den Netzplanungsprozess erlaubt eine Nutzung vorhandener Freiheitsgrade in der Betriebsmittelbelastbarkeit.
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass z.B. die oben genannte Technologie des Leiterseilmonitorings nur mit einer gewissen Einsatzwahrscheinlichkeit die Erhöhung der Übertragungsleistung im Leistungsbereich von mehreren 100 MW erlaubt. Alternative Maßnahmen müssen somit vorgehalten werden, wenn bei hohen Außentemperaturen hohe Übertragungsleistungen gefordert sind.
Der Netzbetrieb steht vor neuen Herausforderungen, da die Systeme künftig immer näher und häufiger an den Belastungsgrenzen betrieben werden. Eine komplexere Netzüberwachung und die automatisierte Aktivierung von Handlungen bei Störungen (Defence Plan, Special Protection Schemes) werden somit ein integraler Bestandteil einer zukünftigen Systemführung. Zur Unterstützung der Systemführung müssen zusätzliche Informationen über den aktuellen Netzzustand (Klimadaten, Spannungswinkel, Nachbarnetze) in geeigneter Form online und mit einer Analytik verknüpft zur Verfügung stehen. Um dies zu erreichen, ist ein Austausch von Informationen über den aktuellen Netzzustand sowohl regional als auch überregional weiterzuentwickeln. Die Weiterentwicklung derartiger Verfahren unter Einsatz moderner Mess- und Kommunikationstechnik ist Gegenstand der Forschung.
Es wird dringend empfohlen, die genannten Themen der Planung und des Betriebs neben der pilotmäßigen Erprobung der Übertragungstechnologien durch die Förderung von Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von Herstellern, Netzbetreibern und Universitäten geeignet zu unterstützen. Generell ist festzuhalten, dass erhöhter Transportbedarf im Leistungsbereich von mehreren tausend Megawatt in erster Linie nur durch den Ausbau des Netzes d.h. durch den Neubau von Höchstspannungsfreileitungen in Dreh- oder Gleichstromtechnologie gedeckt werden kann, um die Integration großer Mengen erneuerbarer Energien sowie eines flexiblen Marktgeschehens zu ermöglichen.