Welchen Anteil an der Stromerzeugung hat welche Energiequelle, und welche Funktion übernehmen sie heute und in Zukunft für die Stromversorgung in Deutschland? Diese und andere Fragen sind entscheidend, um eine fundierte Bewertung und Einordnung vorzunehmen. Die Energietechnische Gesellschaft im VDE (VDE ETG) möchte mit Hintergrundpapieren zu den vier zentralen erneuerbaren Energiequellen einen Beitrag zu einer sachlichen öffentlichen Debatte leisten und Entscheider mit relevanten Informationen versorgen. „Als unabhängige Institution mit tiefem technischen Verständnis können wir Entwicklungen wissenschaftlich einordnen und realistische Einschätzungen treffen“, so Petri.
Unterschätzte Wasserkraft: Potenzial auch bei Blackouts
Im Jahr 2024 hatte die Stromerzeugung aus Wasserkraft einen Anteil von knapp 8 Prozent an der Gesamtmenge erneuerbaren Stroms. Im Vorjahr reduzierte sie damit die nationalen CO2-Emissionen um 6,4 Prozent. Bei Wasserkraft gibt es deutlich geringere Schwankungen wie bei Wind und Sonne und sie erreicht daher auch die höchste Verfügbarkeit im Vergleich zu den anderen Energieformen. „Im Falle eines Blackouts haben Wasserkraftwerke den Vorteil, dass sie in der Regel schwarzstartfähig sind, also nach dem Stromausfall von selbst wieder hochfahren können.“, sagt Petri.
Stärkste Säule Windenergie: 27 Prozent des Bruttostromverbrauchs gedeckt
Mit 27 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland hatte die Windenergie im Jahr 2024 einen Anteil von knapp über 50 Prozent an der erneuerbaren Stromerzeugung. An günstigen Standorten erreichen die Anlagen bis zu 3.500 Volllaststunden/Jahr an Land und bis zu 4.500 Volllaststunden/Jahr offshore. Beim Ausbau werden an Standorten mit hoher Windhöffigkeit Starkwindanlagen mit hoher Leistung installiert, während sich an Standorten mit geringer Windhöffigkeit sogenannte Schwachwindanlagen mit kleinerer Generatorleistung bei gleichem Rotordurchmesser anbieten. Bis 2045 liegen die Ausbauziele an Land bei bis zu 570 TWh, was durch das Wind-an-Land-Gesetz gestützt wird. Es verpflichtet seit 2023 die Bundesländer dazu, 1,8 bis 2,2 Prozent ihrer Fläche für Windenergie bereitzustellen. „Windenergie kann langfristig über 50 Prozent des gesamten Strombedarfs decken“, so Dr.-Ing Martin Kleimaier, Leiter des ETG Fachbereichs V1 „Erzeugung, Verbrauch und Speicherung im elektrischen Energieversorgungssystem.“ „Für eine stabile Versorgung sind Netzausbau und innovative Speicherlösungen entscheidend."
Starker Zuwachs bei Photovoltaik: Leistung seit 2016 mehr als verdoppelt
Die Photovoltaik deckte in 2024 rund 14 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs und erreichte mit 72,2 TWh nach der Windkraft Platz zwei bei den erneuerbaren Energien. Die Volllaststunden liegen bei circa 920 bis 990 pro Jahr. Seit 2016 hat sich die PV-Leistung mehr als verdoppelt. Für die kommenden Jahre werden weiterhin hohe oder sogar steigende Zubauraten erwartet. Bis 2040 wird im Vergleich zu 2024 eine Vervierfachung der Gesamtleistung angestrebt, wobei der Ausbau mittelfristig eine höhere Flexibilität im Verbrauch sowie den Ausbau von Speicherkapazitäten erfordert. „Mit dem Rollout intelligenter Messsysteme, der eine netzorientierte Steuerung ermöglicht, sind wir auf dem richtigen Weg“, stellt Prof.Dr. Hendrik Lens , stellvertretender Leiter des ETG Fachbereichs V1, fest. „Im Sinne einer Langzeitspeicherung können Überschüsse aus der Photovoltaik auch zur Erzeugung von Wasserstoff mittels Elektrolyse genutzt werden, wenn dies wirtschaftlich darstellbar ist.“
Flexible Nutzung von Biogas: Bedarfsabhängige Verstromung als Ziel
Den größten energetischen Beitrag zur Stromerzeugung aus Biomasse leistet die Vergärung von Anbaubiomasse und Reststoffen. Insgesamt wurden 2023 in Deutschland 28,7 TWh Strom aus Biogas und etwa 3 TWh aus Biomethan erzeugt, womit sie einen Anteil von 6,1 Prozent an der Bruttostromerzeugung erreichen. Derzeit ist es noch üblich, Biogas-Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) mit annähernd konstanter Leistung zu fahren, also unabhängig von der eingespeisten Energie aus Wind und Sonne. Um in Zukunft einen systemorientierten flexiblen Betrieb zu ermöglichen, müssen Biogas-Speicher vorgehalten werden. Bei gleichem Biogasaufkommen kann dadurch die Leistung der KWK-Anlagen an einem Standort vervielfacht werden, wodurch diese einen nennenswerten Beitrag zu der dringend benötigten flexibel einsetzbaren Kraftwerksleistung liefern können. Petri erklärt: „Bei der Kapazität dieser Speicher sind Ruhe- und Betriebsreichweite mitzudenken. Die Ruhereichweite gibt an, wie lange Biogas ohne Betrieb des KWK – beispielsweise bei Überschuss von Strom aus Sonne und Wind – produziert und in den Speicher eingespeist werden kann. Dagegen zeigt die Betriebsreichweite auf, wie lange das KWK mit voller Leistung mit Biogas aus dem Speicher betrieben werden kann, um in einer Strom-Mangellage Spitzenlast bereitzustellen.“ Neben diesen Biogasspeichern sorgen die gespeicherten Biomasse-Vorräte und eine steuerbare Biogasproduktion für weiteres Flexibilitätspotential.
Mit den veröffentlichten Papieren möchte die VDE ETG fundierte Impulse für den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien und eine faktenbasierte Diskussion liefern.
Die vier Hintergrundpapiere Windenergie, Wasserkraft, Photovoltaik und Biomasse/Biogas wurden vom ETG Fachbreich V1 "Erzeugung, Verbrauch und Speicherung im elektrischen Energieversorgungssystem" erstellt und sind kostenlos als Download verfügbar. Sie ergänzen die bereits veröffentlichten Hintergrundpapiere zu den Themen EE-Ausbau und Residuallast, Energiespeicher, Brennstoffzellen sowie Systemstabilität.