Struktur einer intelligenten Stadt
Auch wenn viele Menschen täglich ihre persönlichen Erfahrungen mit ihrer Stadt machen, haben nur wenige eine Vorstellung von der Komplexität dieses Gebildes. Eine Stadt stellt sich immer als System von Systemen dar, die mehr, heute leider oft weniger miteinander interagieren. Gerade dabei sind aber die Hinwendung von heutigen Insellösungen zu domänen-übergreifende intelligente Infrastrukturlösungen der Schlüssel zum Erfolg in der Zukunft.
Bild 1 zeigt eine grundsätzliche Struktur der intelligenten Stadt von morgen, wie sie von der ETG/ITG-Taskforce definiert wurde. Auf der untersten Ebene findet man die bekannten vertikalen Lösungen u.a. zur Versorgung, Mobilität, Gebäudemanagement, Stadtverwaltung und zum Gesundheitssystem. Die beiden letztgenannten sind im Bild nicht dargestellt. Sowieso ließ sich die Liste der heutigen vertikalen Lösungen fast beliebig lang fortsetzen. Gemeinsam ist Allen, dass sie sich über viele Jahrzehnte kontinuierlich entwickelt und einen hohen Reifegrad erreicht haben. Und diese Entwicklung wird auch in Zukunft fortgesetzt werden, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten.
Zukünftig werden aber neue Anforderungen in einer intelligenten Stadt an diese vertikalen Lösungen gestellt werden. Diese sollen durch die zwei dargestellten Integrationsschichten bereitgestellt bzw. umgesetzt werden. Die unterste Integrationsschicht dient einer optimalen domänen-übergreifenden Betriebsführung. Beispielhaft seien hier Lösungen von Power to Gas, Power to Heat oder auch der Energieverbrauch der Trinkwasserversorgung als verschiebbare Last für intelligente Stromnetze genannt. Im Bereich der Mobilität können das z.B. multi- bzw. intermodale Transportlösungen sein.
Die zweite Integrationsschicht hat für eine intelligente Stadt die überragende Bedeutung. Hier werden validierte Daten unter Berücksichtigung von Datensicherheit und -vertraulichkeit zur Verfügung gestellt. Dies wird als eine zentrale Aufgabe der Stadt selbst gesehen. Dabei ist es nicht von Bedeutung, wer diese Datenplattform betreibt und pflegt. Entscheidend ist, dass die Stadt selbst zur Einsicht kommt, dass diese Schicht für ihre zukünftige Entwicklung eine genauso große Bedeutung hat wie z. B. eine perfekte Infrastruktur in Form von Versorgungs- und Kommunikationsnetzen oder aber auch in Form der Verkehrsanbindung.
Mit welchem Geschäftsmodell oder auch verschiedenen Geschäftsmodellen diese Datenplattform betrieben wird, liegt im Ermessensspielraum der Stadt. Hier sind alle Modelle denkbar, zwischen den Extremen kostenlos oder ausschließlich gegen Bezahlung.
Basierend auf dieser Datenplattform können dann für die in der Definition genannten Zielgruppen Bürger und Besucher, Wirtschaft, Verwaltung und Umwelt, in Bild 1 oben dargestellt, verschiedenste Lösungen von Dienstanbietern, öffentlichen Einrichtungen oder selbst von Privatpersonen bereitgestellt werden.
Als Schlüsseltechnologien mit verschiedener Relevanz über die dargestellten Ebenen sind zum einen die Automatisierungstechnik mit Sensorik/Aktorik und SCADA-Lösungen sowie die Informations- und Kommunikationstechnologien genannt. Hieraus wird auch deutlich, warum sich der VDE mit dem Thema Städte beschäftigt und seinen Kongress im Jahr 2014 diesem Thema gewidmet hat. Dabei darf aber auch das bestehende Engagement in den vertikalen Lösungen nicht vergessen werden.
Projekte zu intelligenten Städten
Weltweit gibt es eine Vielzahl von Projekten zu intelligenten Städten. Leider können diese in diesem Beitrag nicht detailliert beschrieben werden. In diesem Zusammenhang sei auf den abschließenden Bericht der ETG/ITG-Task-Force „Smart Cities“ verwiesen, der im ersten Quartal des Jahres 2015 erscheinen wird.
Hier soll nur kurz auf die verschiedenen Typen von Stadtprojekten eingegangen werden. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen sogenannten Greenfield- und Brownfield-Projekten. Greenfield-Projekte findet man überwiegend in Schwellen- und Entwicklungsländern. Hier werden die Optimierungspotentiale von domänen-übergreifenden Lösungen bereits bei der Planung berücksichtigt. Ein Beispiel hierfür ist Masdar City in Abu Dhabi.
Brownfield-Projekte sind meist in Industriestaaten zu finden. Hierbei werden historisch gewachsene Städte dahingehend ertüchtigt, dass sowohl ein optimierter domänen-übergreifender Betrieb der vertikalen Lösungen sichergestellt wird als auch eine entsprechende IKT-Infrastruktur u.a. zur Information, Prävention und Motivation der Bürger, geschaffen wird. Beispiele in Europa sind u.a. in Friedrichshafen und in Santander, Spanien zu finden.
Ein dritter Typ von Projekten stellen die sogenannten Transformationsprojekte, auch Konversionsflächenprojekte genannt, dar. Auch sie findet man in existierenden Städten wie z.B. in Wien mit dem Projekt Seestadt Aspern oder auch in Zukunft in Berlin Tegel, falls man es schafft, doch noch den neuen Flughafen zu eröffnen. Ihnen ist gemeinsam, dass man existierende Flächen in ein intelligentes Stadtquartier wandelt, dabei die charakteristischen Merkmale von intelligenten Städten realisiert, aber die Grundausrichtung der Stadt beibehält. In Wien bedeutet das u.a., dass ein hoher Anteil von Sozialwohnungen von der Stadt Wien selbst gebaut wird.
Allen beschriebenen Projekttypen ist gemeinsam, dass man zunehmend nicht die Stadt selbst sondern das gesamte Umfeld, auch im Englischen als Hinterland bezeichnet, in die Planung und Realisierung mit einbezieht. Eine nachhaltige Stadtentwicklung kann sich auch dadurch auszeichnen, dass man die Attraktivität einer Metropolregion erhöht und somit den bindungslosen Zustrom in die Städte verhindert.
Zusammenfassung
Intelligente Städte spielen heute weltweit eine maßgebliche Rolle in der wirtschaftlichen Entwicklung aber auch beim Umweltschutz. Sie sind als System von Systemen zu verstehen und werden durch moderne Lösungen, basierend bzw. optimiert durch Informations- und Kommunikationstechnik, realisiert.
Entscheidend ist bereits heute und wird in der Zukunft noch wichtiger die Beteiligung der Menschen, sowohl beim Neubau als auch beim Umbau vorhandener Städte. Aktuelle Beispiele wie Stuttgart 21 haben das verdeutlicht.
In diesem Zusammenhang ist nicht länger der normale Bürger , hier als Bürger 1.0 bezeichnet, gefragt. Auch der Bürger 2.0, der aktuelle Technik anwendet, um stets auf dem Laufenden zu sein, ist in Zukunft zunehmend weniger gefragt. Es wird der Bürger gebraucht, der neue Lösungen sinnvoll einsetzt, um sich selbst aktiv einzubringen. Beispielhaft können hier vertrauenswürdige soziale Netzwerke genannt werden, die von Bürgern für Bürger betrieben werden. Das ist dann der Bürger 3.0. Machen Sie mit und werden Sie ein Bürger 3.0, zu Ihrem eigenen Wohl und dem Ihrer Nachkommen. Sie werden es Ihnen danken.