AG Mix & Genest, Telephon- und Telegraphenwerke_01
2013 Norbert Gilson
20.10.2022

AG Mix & Genest, Telephon- und Telegraphenwerke

Geneststraße 5, 10829 Berlin-Schöneberg

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VDE Ausschuss Geschichte der Elektrotechnik

Die Fabrikanlage in der Berliner Geneststraße ist ein Dokument des Aufstiegs der Aktiengesellschaft Mix & Genest zu internationaler Bedeutung. Das 1879 in Berlin gegründete Unternehmen wurde später zu einer der Wurzeln der Standard Elektrik Lorenz AG, der heutigen Alcatel.

Beschreibung

erbaut: 1905-07
Architekten: Heinrich Theising

Das 1879 in Berlin als Actiengesellschaft Mix & Genest, Telephon-, Telegraphen- und Blitzableiter-Fabrik gegründete Unternehmen verlagerte seinen Standort wegen des gestiegenen Raumbedarfs 1907 in den neu errichteten Gebäudekomplex in Schöneberg. Die fünfgeschossigen, als Stahlbetonskelettbauten ausgeführten Fabrikgebäude umschließen vier Innenhöfe. Die durch flache Pfeilervorlagen gegliederten Rasterfassaden wurden in den Hofbereichen mit hellen Kacheln verkleidet. nach Schließung des Produktionsstandortes entstand hier der Gewerbehof Schöneberg, der von verschiedenen Firmen und öffentlichen Einrichtungen genutzt wird.

Das auf die Herstellung von Telefon-, Telegrafen- und Rohrpostanlagen sowie Signaltechnik spezialisierte Unternehmen hatte um die Wende zum 20. Jahrhundert, angeregt durch die Entwicklungen in den USA, mit Studien zur Automatisierung der Vermittlungstechnik begonnen. Es zeichnete sich damals bereits ab, dass die in den Fernsprechämtern installierten Handvermittlungen in Zukunft durch Selbstwähleinrichtungen abgelöst würden. Nachdem von der Reichspost die Kopplung von Nebenstellenanlagen mit dem öffentlichen Fernsprechnetz erlaubt worden war, brachte  Mix & Genest 1900 zunächst ein unter dem Namen »Janus« bekannt gewordenes Nebenstellensystem auf den Markt. 1911 wurde eine halbautomatisch »Auto-Janus-Zentrale« vorgestellt, durch die der Telefonverkehr zwischen Nebenstellen- und Amtsteilnehmer automatisch durchgestellt werden konnte. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte man ein eigenes Wählsystem als Anrufersuchsystem mit verbesserten Strowgerwählern. Seine Bewährungsprobe bestand dieses System 1925 im Fernsprechamt in Riga mit 15.000 Teilnehmern. Damit erreichte das Anrufersuchsystem von  Mix & Genest Weltgeltung. Da sich die Deutsche Reichspost für das Vorwählersystem entschieden hatte, konnte Mix & Genest die Entwicklung im Inland nur für Nebenstellenanlagen verwenden. Seit 1924 lieferte die Firma aber auch Fernsprecheinrichtungen nach dem Reichspost-System.
Eine weitere bedeutende Entwicklung war die 1906 unter dem Namen »Fertigsignalanlage« spezielle für Grubenbetriebe auf den Markt gebrachte, schlagwettersicher ausgeführte elektrische Signaleinrichtung, die den bis dahin verwendeten mechanischen Läutewerken in Bezug auf Geschwindigkeit in der Verständigung zwischen Fördermaschinist und Untertage-Betriebspunkten sowie in sicherheitstechnischer Hinsicht weit überlegen war.

Aufgrund eines Angebots der Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) kam es 1921 aufgrund eines Aktientauschs zur Bildung einer engen Interessengemeinschaft zwischen den beiden Firmen. 1927 wurde der Firmenname in Mix & Genest Aktiengesellschaft geändert. 1929 brachte die AEG ihren Mehrheitsbesitz an Aktien in eine Holding-Gesellschaft ein, die Standard Elektrizitäts-Gesellschaft AG (SEG). Außer der AEG waren an dieser Holding die amerikanische International Telephone and Telegraph Corporation (IT&T) sowie die Felten & Guilleaume AG (F&G) beteiligt, wobei die AEG und F&G 1934 ausschieden. Die Interessenverbindung mit IT&T sicherte Mix & Genest wichtige Erfolge im Exportgeschäft.

Anfang März 1943 wurden die Werksanlagen durch einen Brand nach einem Bombenangriff erheblich beschädigt, die instandgesetzten Gebäude blieben anschließend jedoch von weiteren Angriffen im Wesentlichen verschont. Nach Kriegsende wurden alle technischen Fabrikationseinrichtungen einschließlich Unterlagen durch die sowjetische Armee beschlagnahmt und abtransportiert. Während die erhalten gebliebenen Gebäude in Berlin als Ausgangspunkt für die Wiederaufnahme der Produktion dienten, wurde gleichzeitig die Verlagerung des Standortes nach Westdeutschland in die Wege geleitet. Die Wahl fiel auf Stuttgart-Zuffenhausen, wo ein umfangreicherer Teil des Fabrikareals der Ernst Heinkel AG für den Aufbau der neuen Fertigungsstätte erworben wurde. Im Juli 1948 wurde der Sitz von Berlin nach Stuttgart verlegt.
 
Informationsstand: 31.12.2014
Schlagworte: Elektroindustrie; Geschichte der Elektro- und Informationstechnik; Informations- und Kommunikationstechnik (IKT); Nachrichten- und Kommunikationstechnik
Stichworte: Aktiengesellschaft Mix & Genest, Telephon- und Telegraphen-Werke; Mix & Genest; Mix; Genest; Vermittlungstechnik; Selbstwähleinrichtung; Nebenstellenanlage; Janus; Fertigsignalanlage; Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft; AEG; Standard Elektrizitäts-Gesellschaft AG; SEG; International Telephone and Telegraph Corporation; IT&T; ITT; Felten & Guilleaume Carlswerk AG; Heinrich Theising; Actiengesellschaft Mix & Genest, Telephon-, Telegraphen- und Blitzableiter-Fabrik

Quelle(n)

  • Mix & Genest, Abteilung der Standard-Elektrizitäts-Gesellschaft AG (Hrsg.), 75 Jahre Mix & Genest. 1879 - 1954, Stuttgart [1954]
  • Volker Rödel, Reclams Führer zu den Denkmalen der Industrie und Technik in Deutschland. Bd. 2. Neue Länder - Berlin, Stuttgart 1998
  • Landesdenkmalamt Berlin, Denkmalliste Berlin (Stand: 16.04.2013), Nr. 09066468

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