Silizium-Wafer und Mikroschaltkreise mit Automatisierungssystem, Kontrollanwendung mit Roboter-Vision-Sensor-Kamerasystem
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02.09.2025 Pressemitteilung

VDE mit neuem Positionspapier: Europa muss Souveränität in der Mikroelektronik sichern

Chips sind das Herzstück fast aller Zukunftstechnologien – von künstlicher Intelligenz und Robotik über Medizintechnik und Automobilindustrie bis hin zu Energiewende und Verteidigungssystemen. Dennoch droht Europa in der Mikroelektronik den Anschluss zu verlieren. Angesichts massiver Investitionen in den USA und Asien warnt der VDE in einem aktuellen Positionspapier vor wachsender Abhängigkeit und fordert entschlossenes Handeln.

(Frankfurt a. M., 02.09.2025) Die Mikroelektronik ist entscheidend für die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und Europas. Während Europa noch damit beschäftigt ist, aufzuholen und sich in diesem hochdynamischen Feld schwertut, bauen die USA und Asien ihre Kapazitäten massiv aus – Europa droht so endgültig ins Hintertreffen zu geraten. „In der Mikroelektronik sind wir viel zu abhängig von anderen Regionen der Welt“, warnt Prof. Christoph Kutter, Direktor des Fraunhofer-Instituts für Elektronische Mikrosysteme und Festkörper-Technologien (EMFT), stellvertretender VDE Präsident und Co-Autor des neuen Positionspapiers „Hidden Electronics IV“. „Wir müssen jetzt handeln, sonst riskieren wir unseren Wohlstand, unsere Sicherheit und unsere technologische Souveränität.“

In dem neuen Positionspapier, vorgestellt auf dem VDE Jahresempfang im Rahmen des European Future Technology Summit in Brüssel Anfang September, analysiert man die geopolitischen Rahmenbedingungen, benennt Risiken sowie Stärken und formuliert Empfehlungen für Politik, Wirtschaft und Forschung. Zwar habe Europa Marktanteile eingebüßt, verfügt aber weiterhin über strategisch wichtige Kompetenzen – etwa bei Leistungshalbleitern, Sensorik, Edge AI und der Lithografie. Diese müssten gezielt gestärkt und durch koordinierte Industrie-Initiativen ausgebaut werden. 

Wissenschaftlich weit vorn – Nachholbedarf beim Chipdesign

Europa hat in den vergangenen Jahren durchaus Fortschritte erzielt. In Sachsen ist mit den Dresdner Chipfabriken ein leistungsfähiges Ökosystem entstanden, ergänzt durch das EU-Förderinstrument IPCEI (Important Projects of Common European Interest). Mit ASML verfügt Europa zudem über den Weltmarktführer bei Lithografiemaschinen. Forschungsinitiativen wie FMD, FORLAB oder die 6G-Hubs zeigen, dass die europäische Wissenschaft exzellent aufgestellt ist.

Gravierende Defizite bestehen jedoch beim Chipdesign: Die wichtigsten Designwerkzeuge stammen fast ausschließlich aus den USA. Europa müsse daher, so die Forderung des VDE, eine eigene Electronic Design Automation (EDA) Kompetenz aufbauen und Open-Source-Ansätze wie RISC-V konsequent fördern. Nur so ließen sich Abhängigkeiten verringern und neue Marktteilnehmer gewinnen.

Unterstützung und Partnerschaften ausbauen

Darüber hinaus fordert das Positionspapier, Fertigungskapazitäten zu stärken, Start-ups gezielter zu unterstützen, Wagniskapital leichter verfügbar zu machen und erfolgreiche Inkubatoren auszubauen. Ebenso wichtig sei es, neue Zukunftsmärkte wie Robotik, personalisierte Medizintechnik oder High-Performance Computing frühzeitig zu fördern. Langfristig muss die Forschungsförderung verstetigt werden, um Kontinuität zu sichern. Attraktive Rahmenbedingungen sind erforderlich, um internationale Spitzenkräfte nach Europa zu holen.

Vollständige Autarkie in der Halbleiterproduktion ist kein realistisches Ziel – wohl aber die Verringerung kritischer Abhängigkeiten durch strategische Partnerschaften mit technologisch starken Ländern wie Japan, Taiwan oder Singapur.

„Ohne ein koordiniertes Vorgehen wird Europa in der Mikroelektronik dauerhaft in die zweite Reihe abrutschen. Souveränität und Resilienz im Halbleiterbereich sind keine Kür, sondern Pflicht“, betont Dr. Ronald Schnabel, Geschäftsführer der VDE/VDI Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik (VDE/VDI GMM). „Wenn Europa weiterhin eine starke Industrieregion bleiben will, müssen wir jetzt die Weichen stellen.“

Warum Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik wichtige Treiber des Fortschritts sind, ist außerdem Thema auf dem MikroSystemTechnik Kongress 2025, zu dem der VDE GMM und VDI/VDE-IT vom 27. bis 29. Oktober nach Duisburg einladen.

Hidden Electronics: Mikroelektronik als Schlüsseltechnologie

„Hidden Electronics IV“ ist das vierte Positionspapier einer Reihe, die von den für Mikroelektronik und Informationstechnik zuständigen VDE Fachgesellschaften – VDE VDI GMM sowie Informationstechnische Gesellschaft im VDE (VDE ITG) – ins Leben gerufen wurden. Im Jahr 2014 erschien mit „Hidden Electronics“ das erste dieser Papiere.

Weitere aktuelle Themen rund um Mikroelektronik gibt es zudem in der neuen Ausgabe des Technologiemagazins VDE dialog, die am 1. Oktober erscheint.

Über die VDE/VDI Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik (VDE VDI GMM) 

Die VDE/VDI Gesellschaft Mikroelektronik, Mikrosystem- und Feinwerktechnik (VDE VDI GMM) ist die umfassende Plattform in mikrotechnischen Anwendungsbereichen. Sie wird gemeinsam vom VDE und VDI getragen und steht für effektiven fachübergreifenden Wissenstransfer. Ihr Spektrum reicht von den Basistechnologien der Fertigung von Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik über Mechatronik bis hin zu Themen aus dem Gebiet der Elektromagnetischen Verträglichkeit. Die GMM steht für Zusammenarbeit und internationale Vernetzung im Dienst der Innovation. Sie integriert interdisziplinär Forschungsinstitute, Unternehmen und Hochschulen von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung und bietet ihren Mitgliedern alle Vorteile einer modernen Experten-Community. Mit ihrer Expertise nimmt die GMM Einfluss auf die Technologiepolitik und engagiert sich für nationale und europäische Forschungsprogramme. Die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie der Aus- und Weiterbildung sind weitere wichtige Ziele. Wesentlich in diesem Bereich ist die Durchführung des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Wettbewerbs COSIMA (Competition of Students in Microsystems Applications).

Mehr Informationen unter www.vde.com/gmm

Über die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (VDE ITG)

Die Informationstechnische Gesellschaft im VDE (VDE ITG) ist eine Community für Expertinnen und Experten, die sich mit Themen der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) beschäftigen. Anspruch der bereits 1954 gegründeten Fachgesellschaft ist es, innovativen Technologiethemen den Weg aus der Wissenschaft in Wirtschaft und Gesellschaft zu ebnen. Diese Verbindung von Theorie und Praxis befördert die Technologiethemen von morgen, welche zur digitalen Transformation von Industrie und Gesellschaft unabdingbar sind. Die ITG sieht sich als Impulsgeber im Bereich IKT und unterstützt damit die VDE Vision einer lebenswerten und e-dialen Zukunft.

Mehr Informationen unter www.vde.com/itg

Über den VDE

Der VDE, eine der größten Technologie-Organisationen Europas, steht seit mehr als 130 Jahren für Innovation und technologischen Fortschritt. Als einzige Organisation weltweit vereint der VDE dabei Wissenschaft, Standardisierung, Prüfung, Zertifizierung und Anwendungsberatung unter einem Dach. Das VDE Zeichen gilt seit mehr als 100 Jahren als Synonym für höchste Sicherheitsstandards und Verbraucherschutz. 

Wir setzen uns ein für die Forschungs- und Nachwuchsförderung und für das lebenslange Lernen mit Weiterbildungsangeboten „on the job“. Im VDE Netzwerk engagieren sich über 2.000 Mitarbeiter*innen an über 60 Standorten weltweit, mehr als 100.000 ehrenamtliche Expert*innen und rund 1.500 Unternehmen gestalten im Netzwerk VDE eine lebenswerte Zukunft: vernetzt, digital, elektrisch.  
Wir gestalten die e-diale Zukunft. 

Sitz des VDE (VDE Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e.V.) ist Frankfurt am Main. Mehr Informationen unter www.vde.com

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