Interview mit Prof. Sven Kuhn, Leiter der Elektrotechnik an der FRA-UAS
Herr Professor Kuhn, welche Rolle haben Sie an der Hochschule Frankfurt inne?
Zurzeit bin ich Studiendekan des Fachbereich 2 Informatik und Ingenieurwissenschaften. Gleichzeitig bin ich Studiengangsleiter des Studiengangs Elektrotechnik und Informationstechnik (EIT) mit den Schwerpunkten Erneuerbare Energien, Automatisierungstechnik und Information and Communication Technology (ICT).
Der Hessische Hochschulpakt ist 2025 ausgelaufen. Welche Ziele wurden vom Land an die Hochschule für die letzten fünf Jahre vorgegeben?
Die Ziele waren breit gefächert und bezogen sich u.a. auf Lehre, Forschung, Internationalisierung, Personalentwicklung, Digitalisierung (KI) und Nachhaltigkeit. Im Fokus stand auch die Verbesserung der Betreuungsrelation durch zusätzliche Professuren und die Unterstützung und Förderung der Studierenden beim Übergang von der Schule zur Hochschule, um hohen Abbruchquoten entgegenzuwirken und mehr junge Menschen zu einem Studium in den Ingenieurwissenschaften zu motivieren.
Haben Sie in der Lehreinheit Elektrotechnik diese Ziele erreicht?
Wir haben in der Lehreinheit internationale Kontakte ausgebaut und durch Doppelabschlüsse mit internationalen Hochschulen zusätzliche Studierende nach Frankfurt geholt. Die Anzahl der Erstsemester in EIT konnte nach einem coronabedingten Einbruch wieder auf rund 180 Studierende jährlich gesteigert werden und lag somit 25 % über der Planzahl. Es war in Planung, die Internationalisierung durch englischsprachige Angebote in ICT weiter auszubauen, um neue Fachkräfte für diesen Bereich zu gewinnen. Um das leisten zu können, waren für die Lehreinheit acht Professuren bewilligt und entsprechende Berufungen auf Nachhaltigkeits- und KI-Themen geplant und kurz vor der Umsetzung.
Dann sind Sie also gegen den allgemeinen Trend mit ansteigenden Erstsemesterzahlen gewachsen.
Im bundesweiten Vergleich hat unsere Lehreinheit durchaus von überdurchschnittlich hohen Erstsemesterzahlen profitiert.
Bereits im Sommer 2025 wurde berichtet, dass aufgrund der Sparmaßnahmen des neuen Hochschulpaktes ab 2026 besondere Studienmodelle im Ingenieurbereich bei Ihnen wegfallen. Was war daran besonders und welches Ziel hatten Sie damit verfolgt?
Hierbei handelte es sich um die „focus!ng“ Varianten der Studiengänge im Fachbereich 2, die im Sinne eines Studiums der angepassten Geschwindigkeit einen speziellen Fokus auf die für einen guten Einstieg wichtigen ersten beiden Semester legen. Die fachlichen Inhalte wurden auf vier Semester verteilt und die dadurch gewonnenen Freiräume durch intensive Lernangebote, überfachliche Veranstaltungen und die Herstellung eines frühen Praxisbezugs genutzt. Dies fördert eine bessere Identifikation mit der zukünftigen Rolle als Ingenieurin oder Ingenieur, ermöglicht die individuellen fachlichen und überfachlichen Kompetenzen der Studierenden anzugleichen und steigert somit die Erfolgsaussichten im weiteren Studium.
Nun stehen weitere Kürzungen in der Lehreinheit Elektrotechnik an. Welche sind das und bis wann sollen diese erfolgen?
Unter den derzeitigen Rahmenbedingungen werden wir als Lehreinheit bis 2031 keine freiwerdenden Professuren wiederbesetzen können. Das bedeutet, dass wir von aktuell 23 Professuren auf 14 Professuren schrumpfen werden. Dieser demographische Abbau nimmt keine Rücksicht auf die Zusammensetzung der Fachgebiete, was zur Folge hat, dass die Bereiche Automatisierungstechnik und Information and Communication Technology überproportional betroffen sind.
Sie sind verantwortlich für die Planung der nächsten Jahre. Wie sieht diese aus?
Um auch in Zukunft die Studierenden angemessen betreuen zu können, müssen wir die Studierendenzahlen reduzieren. Konkret werden wir die Planzahl im Studiengang EIT von jährlich 144 auf 72 Erstsemester reduzieren müssen. Dies bedeutet auch, dass wir den Studiengang nicht länger im Semesterbetrieb anbieten können, sondern nur noch im Wintersemester Erstsemester aufnehmen werden. Für die Studierenden bedeutet das, dass alle Vorlesungen nur noch einmal im Jahr angeboten werden und individuelle Studienverläufe mit reduzierter Geschwindigkeit schwer umsetzbar sind. Darüber hinaus sind wir durch die Schrumpfung in der Fachgruppe ICT dazu gezwungen, diesen Schwerpunkt im Studium ab dem Wintersemester 2026 nicht mehr anzubieten. Auch in den beiden Masterstudiengängen „Information Technology“ und „Electrical Engineering - Renewable Energy“ werden wir die Studierendenzahlen halbieren müssen.
Das klingt ganz schön auf Kante genäht. Befürchten Sie nicht auch, dass die Elektrotechnik an der HS Frankfurt sowohl für den künftigen Nachwuchs an Studierenden als auch an Lehrpersonal unattraktiv wird?
Der Wegfall des Schwerpunktes ICT bedeutet für die Studierenden eine Einschränkung der persönlichen Spezialisierungsmöglichkeiten im Studium. Rund die Hälfte der Studierenden entscheidet sich erst während der ersten Semester für einen späteren Schwerpunkt - diese Flexibilität geht jetzt verloren. Auch die Lehrenden werden in Zukunft Teile ihres Deputats in Grundlagenmodulen oder in benachbarten fachlichen Themen einbringen müssen.
Die Information and Communication Technology fällt also ab dem Wintersemester 2026 weg. Wofür eignen sich ICT-Experten und -Expertinnen besonders und was bedeutet der Wegfall für die Region?
Unsere Absolventinnen und Absolventen des Schwerpunktes ICT liefern in den Unternehmen der Region einen entscheidenden Beitrag zur Digitalisierung und zum Ausbau der digitalen Infrastruktur. Große Unternehmen wie beispielsweise Fraport oder die Deutsche Bahn erweitern und modernisieren stetig ihre Netze. Neue Rechenzentren werden geplant, realisiert und betrieben und steigern die Attraktivität der Region für internationale Unternehmen.
Sind noch elektrotechnische Studiengänge an anderen Hochschulen in Hessen betroffen?
Durch die allgemein rückläufigen Studierendenzahlen in den Ingenieurwissenschaften sind andere Hochschulen bereits in den letzten Jahren geschrumpft und haben Angebote reduziert.
Was würden Sie sich zum Schluss für einen vollumfänglichen Lehrbetrieb wünschen, um die Zeit bis 2031 zu überbrücken?
Um das bisherige fachliche Spektrum des Studiengangs EIT aufrechtzuerhalten brauchen wir die Möglichkeit, die Professuren der im nächsten Jahr ausscheidenden Kollegen mit den Themen KI, Kommunikationstechnik und Automatisierungstechnik wiederzubesetzen. Für den Schwerpunkt ICT sprechen wir hier über drei Professuren.
Ist Ihre Hochschulleitung darüber im Gespräch mit ihrem Wissenschaftsministerium? Was müsste passieren, damit sich das Ministerium noch bewegt?
Die FRA-UAS hat die im vergangenen Hochschulpakt vorgegebenen Wachstumsziele erreicht. Andere Hochschulen sind im Mittel um 12 % geschrumpft. Faktisch werden wir jetzt in Relation zur Studierendenzahl mit dem hessenweit geringsten Budget bezogen auf die Studierendenzahl ausgestattet. Unsere Hochschulleitung steht hierzu im Dialog mit dem Ministerium - leider ohne positives Ergebnis. Mir ist bewusst, dass das Land durch fehlende Steuereinnahmen wenig Spielraum hat. An der Bildung bezüglich unserer Zukunftstechnologien zu sparen, halte ich jedoch nicht für den richtigen Weg.