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12.06.2023 Fachinformation

Klinische Prüfungen bei Medizinprodukten nach MDR

Eine klinische Prüfung bezeichnet eine klinische Studie mit Medizinprodukten. Welche Anforderungen gelten für Hersteller?

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Dr. Thorsten Prinz

Hersteller müssen ein Produkt klinisch bewerten, bevor sie es als Medizinprodukt auf dem europäischen Unionsmarkt in Verkehr bringen dürfen. Dafür sind klinische Daten erforderlich, die belegen, dass das Medizinprodukt sicher und leistungsfähig ist. Sind keine adäquaten klinischen Daten vorhanden, muss der Hersteller klinische Prüfungen durchführen. Diese sind für Produkte der Klasse III und implantierbare Produkte mit engen Ausnahmen obligatorisch. In diesem Artikel erfahren Sie, wie klinische Prüfungen aufgebaut sind.

Klinische Prüfungen in der MDR

Die europäische Verordnung über Medizinprodukte (EU) 2017/745 (MDR) enthält Anforderungen an klinische Prüfungen in Art. 62 bis 82 und Anhang XV, welche die folgenden Aspekte beinhalten:

  • Allgemeine Verpflichtung
  • Sicherheit der Patienten
  • Notfallsituationen
  • Schadenersatz
  • EUDAMED-bezogene Bestimmungen
  • Arten von klinischen Prüfungen
  • Informationsflüsse
  • Maßnahmen der Mitgliedstaaten
  • Bewertung klinischer Prüfungen
  • Unerwünschte Ereignisse

Leitfäden und Normen

Die Medical Device Coordination Group (MDCG) der EU-Kommission hat eine Reihe von Leitfäden für klinische Prüfungen mit Medizinprodukten veröffentlicht:

ReferenzTitelVeröffentlichung

2023/C 163/06 

Commission Guidance on the content and structure of the summary of the clinical investigation report 

Mai 2023

MDCG 2021-28 

Substantial modification of clinical investigation under Medical Device Regulation

Dezember 2021

MDCG 2021-20

Instructions for generating CIV-ID for MDR Clinical Investigations

Juli 2021

MDCG 2021-8

Clinical investigation application/notification documents

Mai 2021

MDCG 2021-6

Regulation (EU) 2017/745 – Questions & Answers regarding clinical investigation

April 2021

MDCG 2020-10/1

Safety reporting in clinical investigations of medical devices under the Regulation (EU) 2017/745

Mai 2020

MDCG 2020-10/2

Clinical Investigation Summary Safety Report Form v1.0

Mai 2020


Daneben gibt es die folgenden hilfreichen MEDDEV-Richtlinien, die unter den früheren EU-Richtlinien entstanden sind:

  • MEDDEV 2.7/2 rev. 2 Clinical investigation, clinical evaluation - Guide for Competent Authorities in making an assessment of clinical investigation notification (2015)
  • MEDDEV 2.7/3 rev. 3 Clinical investigation, clinical evaluation - Clinical investigations: serious adverse event reporting (2015)
  • MEDDEV 2.7/4 Clinical investigation, clinical evaluation - Guidelines on Clinical investigations: a guide for manufacturers and notified bodies (2010)

ISO 14155

Die internationale Norm „ISO 14155:2020 Klinische Prüfung von Medizinprodukten an Menschen - Gute klinische Praxis“ stellt derzeit den Stand der Technik dar, aber sie ist noch nicht mit der MDR harmonisiert. Aber im Erwägungsgrund 64 der MDR wird die vorherige Version der ISO 14155 ausdrücklich erwähnt.

Wesentliche Neuerungen der ISO 14155:2020 gegenüber der ISO 14155:2012 sind:

  • Der Anhang H der ISO 14155 enthält umfassende Anforderungen an das Risikomanagement im gesamten Prozess der klinischen Prüfung. Dieses klinische Risikomanagement sollte in das allgemeine Risikomanagement für das Medizinprodukt integriert werden.
  • Neue Anforderungen zu ethischen Erwägungen inklusive einzureichender Dokumente, Kommunikation mit Ethik-Kommission, Schadensersatz, Einverständniserklärung, Umgang mit vulnerablen Gruppen etc.
  • Neue Anforderungen zur Auditierung von klinischen Prüfungen
  • Neue informative Anhänge

Definitionen

Der Art. 2 MDR enthält wichtige Definitionen für klinische Prüfungen. Wir empfehlen, die Definitionen der MDR im Zusammenhang mit denen der ISO 14155 zu betrachten. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Definitionsunterschiede:

BegriffArtikel MDRISO 14155 Definition

klinischer Nutzen

2 (53)

keine Definition

klinische Daten

2 (48)

keine Definition

klinischer Nachweis

2 (51)

keine Definition

klinischer Prüfung

2 (45)

ähnliche Definition

klinischer Prüfplan

2 (47)

ähnlich, aber weniger detailliert

klinische Leistung

2 (52)

ähnliche Definition

Ethikkommission

2 (56)

ausführlicher hinsichtlich der Zuständigkeiten

Einwilligung nach Aufklärung

2 (55)

keine Definition

Prüfer

2 (54)

ähnliche Definition, aber ausführlicher

Prüfprodukt

2 (46)

ähnliche Definition

schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis

2 (58)

ähnliche Definition, jedoch ohne Erwähnung einer chronischen Krankheit als Folge

Sponsor

2 (49)

ähnliche Definition, aber weniger detailliert

Prüfungsteilnehmer

2 (50)

ähnliche Definition


Der Leitfaden MDCG 2021-6 enthält weitere Begriffserläuterungen. Einige Definitionen der ISO 14155 wie Auftragsprüfinstitut (contract research organisation, CRO) und Datenüberwachungskomitee (data monitoring committee, DMC) fehlen in der MDR.

Arten von klinischen Prüfungen

Die Art einer klinischen Prüfung, die der Hersteller auswählen muss, hängt im Wesentlichen davon ab, ob das Medizinprodukt CE-gekennzeichnet ist, im Rahmen der Zweckbestimmung verwendet wird oder ob zusätzliche invasive oder den Patienten belastende Verfahren eingesetzt werden.
Es gibt drei Arten von klinischen Prüfungen, für die die Anforderungen der MDR gelten:

  • Klinische Prüfungen für die Konformitätsbewertung (Typ A) nach Art. 62 sind genehmigungspflichtig. Es gelten die Art. 62 bis 81 und die Anforderungen des Anhangs XV.
  • Klinische Prüfungen im Rahmen vom Post-Market Clinical Follow-Up (PMCF, Typ C) sind nicht genehmigungspflichtig, sondern meldepflichtig. Es gelten die Anforderungen aus Art. 74 (1).
  • Andere klinische Prüfungen (Typ B) gemäß Art. 82 sind weder genehmigungs- noch meldepflichtig. In dem jeweiligen EU-Mitgliedsstaat können weitere Anforderungen bestehen. Es gelten die Anforderungen aus Art. 62 (2, 3, 4b/c/d/f/h/l und 6).
Arten von klinischen Prüfungen bei Medizinprodukten
VDE

Beachten Sie, dass andere Arten von klinischen Prüfungen zu Forschungszwecken durchgeführt werden können, die in den jeweiligen Gesetzen der Mitgliedstaaten geregelt sind (z. B. im deutschen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz MPDG). Darüber hinaus legen die nationalen Gesetzgeber ihre eigenen Verfahren fest, wie z. B. die Konsultation einer Ethikkommission.

Alle PMCF-Studien mit und ohne zusätzliche invasive oder belastende Verfahren, die im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Produkts durchgeführt werden, sind im PMCF-Plan anzugeben (Anhang XIV Teil B, MDCG 2020-7).

Der Sponsor als zentraler Akteur in klinischen Prüfungen

Der Begriff „Sponsor“ stammt aus dem Bereich der pharmazeutischen klinischen Prüfungen. Art. 2 (49) MDR definiert ihn als „jede Person, jedes Unternehmen, jede Einrichtung oder jede Organisation, die bzw. das die Verantwortung für die Einleitung, das Management und die Aufstellung der Finanzierung der klinischen Prüfung übernimmt“. Ist der Sponsor außerhalb der EU ansässig, benötigt er eine natürliche oder juristische Person als gesetzlichen Vertreter (Art. 62 (2)).

Aufgaben des Sponsors

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Aufgaben des Sponsors:

Aufgaben des SponsorsArtikel MDR

Prüfung der neuen ethischen Anforderungen und Einrichtung entsprechender Verfahren

62 (4b); 64

Prüfung, ob Produkt technische und biologische Sicherheitsprüfungen und präklinische Bewertungen sowie spezielle Maßnahmen zur Arbeitssicherheit und Unfallverhütung erfordert, um den Schutz der Prüfungsteilnehmer zu gewährleisten

62 (4l)

Berücksichtigung der im Vergleich zur ISO 14155 strengeren Qualifikationsanforderungen an den Prüfer

62 (6)

Installieren Sie ein System zur Entschädigung der Prüfungsteilnehmer.

69

Prüfung des Verfahrens zur Beantragung der klinischen Prüfung, einschließlich Einreichung bei dem / den Mitgliedstaat(en) sowie der Erstellung und Aktualisierung der entsprechenden Unterlagen

70 (1)

Berücksichtigung der Anforderungen der EUDAMED und insbesondere der Verwendung einer einheitlichen Identifikationsnummer für die gesamte Kommunikation im Zusammenhang mit der klinischen Prüfung

70 (1); 73 (2)

Einrichtung geeigneter Verfahren zur Überwachung der klinischen Prüfung im Hinblick auf den Schutz der Probanden, die Zuverlässigkeit und Belastbarkeit der Daten und die Einhaltung der EU MDR Bestimmungen. Bestimmen Sie Umfang und Art der Überwachung

72 (2)

Einrichtung geeigneter Verfahren zur Speicherung, Analyse und Nutzung klinischer Daten unter Berücksichtigung geeigneter technischer und organisatorischer Maßnahmen zum Schutz der Daten

72 (3-4)

Festlegung eines Verfahrens für Notfallsituationen

72 (6)

Festlegung von Verfahren zur Unterrichtung der Mitgliedstaaten über

PCMF-Studien, Änderungen bei klinischen Prüfungen mit erheblichen Auswirkungen und den vorzeitigen Abbruch oder die vorübergehende Einstellung von klinischen Prüfungen

74 (1);
75 (1)* / 78 (12);
77 (1-3)

Einrichtung eines geeigneten Verfahrens für die Übermittlung des klinischen Prüfberichts und der Zusammenfassung des Berichts an den / die Mitgliedstaat(en)

77 (4-7)

Berücksichtigung des Verfahrens für eine koordinierte Bewertung der klinischen Prüfung, wenn mehr als ein Mitgliedstaat betroffen ist

78 (1-2)

Einrichtung geeigneter Verfahren für die Aufzeichnung und Meldung unerwünschter Ereignisse

80

*Vgl. Leitfaden MDCG 2021-28 für weitere Details.


Mit Ausnahme der in der Tabelle ersten aufgeführten Verpflichtung hängen alle anderen vom System der einmalige Produktkennung (Unique Device Identifier, UDI) und der Funktion der Europäischen Datenbank für Medizinprodukte (EUDAMED) ab.

Datenschutz

Die EU-Kommission hat ein Q/A Dokument über das Zusammenspiel zwischen der Verordnung (EU) 536/2014 über klinische Prüfungen und der europäischen Datenschutzverordnung 2016/679 veröffentlicht. Die EU-Kommission stellt fest: „[...] it is the obligation of the data controller (sponsor/clinic-institution of the investigator) to implement the appropriate technical and organisational measures to ensure and be able to demonstrate that the personal data are processed in accordance with the data protection rules“.

Beantragung von klinischen Prüfungen

Eine wichtige Änderung im Vergleich zur bisherigen Regelung gibt es bei den klinischen Prüfungen zur Konformitätsbewertung (Typ A). Bei einer Prüfung, die von einem Sponsor in mehreren EU-Mitgliedstaaten durchgeführt wird, mussten bisher einzelne Anträge gestellt werden. Nun kann der Sponsor den Antrag auch bei nur einer Behörde für alle teilnehmenden Mitgliedsstaaten gemeinsam einreichen (Art. 78). In einer Übergangszeit bis zum 25. Mai 2027 ist dieses koordinierte Verfahren nur in den EU-Mitgliedstaaten verpflichtend, die dessen Anwendung implementiert haben (Art. 78 (14)).

Der Sponsor muss den Antrag über die EUDAMED einreichen und erhält eine einmalige Identifikationsnummer (unique single identification number, CIV-ID, vgl. MDCG 2021-20) für die klinische Prüfung (Art. 70 (1), vgl. MDCG 2021-28). Im weiteren Verlauf der klinischen Prüfung findet der gesamte Informationsfluss ebenfalls über die EUDAMED statt. Zunächst prüft der betreffende Mitgliedstaat, ob die klinische Prüfung in den Geltungsbereich der MDR fällt. Bei nicht-invasiven Produkten der Klassen I-IIb kann die klinische Prüfung dann sofort beginnen. Allerdings muss die zuständige Ethik-Kommission ihre Zustimmung erteilen (Art. 70 (7a)). Bei allen anderen Produkten muss die klinische Prüfung vor Beginn von der zuständigen Behörde genehmigt werden (Art. 70 (7b)).

Bei PCMF-Studien muss der Sponsor die betroffenen Mitgliedstaaten informieren und die in Anhang XV Kapitel II genannten Unterlagen vorlegen. Auch hier muss die EUDAMED verwendet werden (Art. 74 (1)).

Antragsdokumente

Das Kapitel II des Anhangs XV fasst im Einzelnen die Unterlagen zusammen, die für den Antrag nach Art. 70 MDR erforderlich sind:

  • das Antragsformular,
  • das Handbuch des Prüfers (investigator's brochure, IB) und
  • der klinische Prüfplan (clinical investigation plan, CIP).

Die Europäische Kommission kann delegierte Rechtsakte zur Änderung oder Durchführungsrechtsakte erlassen, um eine einheitliche Anwendung und einen einheitlichen Stand der Technik der Anforderungen gemäß Anhang XV Kapitel II zu gewährleisten (Art. 70 (8,9)).

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die Antragsunterlagen für klinische Prüfungen:

AntragsformularHandbuch des Prüfersklinischer Prüfplan
  • Details zum Sponsor
  • Titel
  • Termine und Dauer
  • Status
  • Angaben zum klinischen Bewertungsplan
  • Angaben zur multizentrischen Studie (falls zutreffend)
  • Zusammenfassung des klinischen Prüfplans
  • Angaben zum Prüfprodukt
  • Angaben zur Benannten Stelle
  • Etc.
  • klinische und nicht-klinische Informationen über das Prüfprodukt
  • Begründung
  • Ziele
  • Entwürfe
  • Methodik
  • Überwachung
  • statistische Überlegungen
  • Organisation
  • Durchführung


In Abwesenheit der EUDAMED enthält der Leitfaden MDCG 2021-28 eine Reihe von Anwendungs-/Meldedokumenten für klinische Prüfungen, die zur Unterstützung von klinischen Prüfungen gemäß MDR erstellt wurden.

Ethik-Kommission

Die Ethik-Kommission des jeweiligen Mitgliedstaates ist ein unabhängiges Gremium und gibt auf der Grundlage der nationalen Gesetzgebung eine Stellungnahme zu der geplanten klinischen Prüfung ab (Art. 62 (3)). Außerdem soll die Ethik-Kommission „Standpunkte von Laien, insbesondere Patienten oder Patientenorganisationen“ berücksichtigen (Art. 2 (56)).

Die Ethik-Kommissionen unterliegen den jeweiligen nationalen Anforderungen und arbeiten daher unterschiedlich. Die MDR verlangt jedoch, dass die Verfahren der Ethik-Kommission mit der Verordnung vereinbar sind. Dies ist eine Herausforderung für Sponsoren, insbesondere wenn sie multizentrische Prüfungen in verschiedenen Mitgliedstaaten planen.

Design

Das Design der klinischen Prüfung muss zwei Prinzipien folgen:

  • das Wohlbefinden der Probanden (minimale Risiken und minimale Beeinträchtigungen) und
  • Generierung wissenschaftlich valider, zuverlässiger und robuster klinischer Daten.

Die Grundlage der klinischen Prüfung ist der CIP, der Informationen über Art, Struktur und Parameter enthält (Nr. 3 Anhang XV, Kapitel II).

Die klinische Prüfung muss dem „dem Stand von Wissenschaft und Technik“ entsprechen (Nr. 2.1 Anhang XV, Kapitel I). Die klinischen Methoden müssen für das Prüfprodukt geeignet sein (Nr. 2.2 Anhang XV, Kapitel I) und die technischen und funktionellen Merkmale des Prüfprodukts hinsichtlich Sicherheit und Leistung berücksichtigen (Nr. 2.5 Anhang XV, Kapitel I). Schließlich muss eine ausreichende Anzahl von Probanden einbezogen werden, um wissenschaftlich valide Ergebnisse zu erhalten. Daher muss der Sponsor die Stichprobengröße auf der Grundlage plausibler Erfolgskriterien berechnen. Außerdem muss die klinische Umgebung für die normalen Anwendungsbedingungen repräsentativ sein (Nr. 2.1 und 2.4 Anhang XV, Kapitel I). Die klinische Prüfung muss im Einklang mit dem CIP gemäß Nr. 1 (a) Anhang XIV, Teil A stehen.

Die EU-Kommission wird voraussichtlich die Kriterien für das Studiendesign genauer definieren, z.B. durch die Ausarbeitung gemeinsamer Spezifikationen (Art. 9). Wir empfehlen, dieses vor der Entwicklung des Studiendesigns zu prüfen.

Interaktion mit Prüfungsteilnehmern

Das Wohlergehen der Betroffenen ist für den europäischen Gesetzgeber von höchstem Interesse. Detaillierte Bestimmungen spiegeln dies wider:

  • Schutz vulnerabler Personengruppen (z. B. schwangere Frauen) und Probanden (Art. 64-68),
  • Einschränkungen für die Einwilligung von Probanden, die einen gesetzlichen Vertreter haben (z. B. Kinder),
  • Recht der Probanden auf körperliche und geistige Unversehrtheit, Privatsphäre und Schutz personenbezogener Daten sowie
  • Verhinderung unzulässiger Rekrutierungspraktiken.

Der Sponsor muss den Prüfungsteilnehmern Informationen zur Verfügung stellen, die „umfassend, knapp, klar, zweckdienlich und für den Prüfungsteilnehmer oder seinen gesetzlichen Vertreter verständlich“ (Art. 63 (2)) sind und Teil der Einwilligung nach Aufklärung sind. Um die Lesbarkeit zu gewährleisten, sollte das Formular zur Einwilligung nach Aufklärung eine angemessene Länge nicht überschreiten. Außerdem muss der Sponsor das Verständnis des Prüfungsteilnehmer durch ein Gespräch überprüfen (Art. 63 (5)).

Durchführung

Insgesamt ist die Durchführung klinischer Prüfungen in Art. 72 und Anhang XV, Kapitel III geregelt. Der Sponsor hat mehrere wichtige Aufgaben, die bereits oben beschrieben wurden. Im Wesentlichen muss der Sponsor die folgenden Punkte beachten:

  • kontinuierliche Einhaltung des CIP,
  • kontinuierliche Überwachung der Durchführung (im Einklang mit der guten klinischen Praxis),
  • sorgfältiger Umgang mit klinischen Daten (Sammlung, Speicherung, Bewertung, Schutz und Sicherheit) sowie
  • sorgfältiger Umgang mit Vigilanzdaten und Behandlung von Notfällen mittels eines festgelegten Verfahrens.

Sofern es beabsichtigt ist, Änderungen an einer klinischen Prüfung vorzunehmen, die wahrscheinlich wesentliche Auswirkungen auf die Sicherheit, die Gesundheit oder die Rechte der Probanden oder auf die Belastbarkeit oder Zuverlässigkeit der gewonnenen klinischen Daten haben, hat der Sponsor den/die Mitgliedstaat(en), in dem/denen eine klinische Prüfung durchgeführt wird oder werden soll zu benachrichtigen (vgl. Erläuterungen in MDCG 2021-28). 

Unerwünschte Ereignisse

In den Definitionen in Art. 2 wird zwischen „unerwünschtem Ereignis“ und „schwerwiegendem unerwünschtem Ereignis“ unterschieden. Die Merkmale für ein unerwünschtes Ereignis sind:

  • unerwünschtes medizinisches Vorkommnis,
  • eine unbeabsichtigte Krankheit oder Verletzung,
  • unerwünschte klinische Symptome (einschließlich abnormaler Laborbefunde), und
  • kein zwingender Zusammenhang mit dem Prüfprodukt.

Die Richtlinie MDCG 2020-10/1 erläutert im Detail die Sicherheitsberichterstattung bei klinischen Prüfungen mit Medizinprodukten. Die Richtlinie MDCG 2020-10/2 stellt ein Formular für die Zusammenfassung des Sicherheitsberichts einer klinischen Prüfung zur Verfügung.

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse führen zu schwerwiegenden Folgen für das Leben oder die Gesundheit des Patienten. Der Sponsor muss schwerwiegende unerwünschte Ereignisse immer aufzeichnen und melden (Art. 80 (1-2)). Im Gegensatz zur ISO 14155 fordert die MDR, nur diejenigen unerwünschten Ereignisse aufzuzeichnen, die „im klinischen Prüfplan als entscheidend für die Bewertung der Ergebnisse dieser klinischen Prüfung bezeichnet wurden“ (Art. 80 (1)). Außerdem muss der Sponsor Produktmängel melden, die zu schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen führen können (Art. 80 (2)).

Grundsätzlich hängt die Meldefrist von der Schwere des unerwünschten Ereignisses ab (Art. 80 (2)). Treten schwerwiegende unerwünschte Ereignisse oder Produktmängel bei einer klinischen Prüfung auf, die in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt wird, wird eine koordinierte Bewertung eingeleitet (Art. 80 (4)). Die Konsequenzen können von der Änderung über die Aussetzung bis hin zum Abbruch der klinischen Prüfung reichen.

Berichterstattung

In Nr. 7 Anhang XV Kapitel III ist die Struktur des klinischen Prüfberichts (clinical investigation report, CIR) detailliert festgelegt. Prüfen Sie noch einmal sorgfältig, welche Unterschiede zu den Vorgaben in Anhang D der ISO 14155 bestehen, wie z.B. die Angabe der UDI. Bislang hat die ISO 14155 den Herstellern nur empfohlen, sowohl die positiven als auch die negativen Ergebnisse der klinischen Prüfung zu veröffentlichen. Die ISO 14155 (Anhang D) verlangt jedoch nicht ausdrücklich die Aufnahme negativer Ergebnisse in das CIR. Die Forderung nach einer Zusammenfassung in „leicht verständlicher Sprache“ ist neu (vgl. Commission Guidance on the content and structure of the summary of the clinical investigation report). Der Sponsor muss die Zusammenfassung, wie den CIR, über EUDAMED einreichen (Art. 77 (5)).

Empfehlungen

  • Informieren Sie sich über die strafrechtlichen Bestimmungen der Mitgliedstaaten zu klinischen Prüfungen (z. B. im deutschen Medizinprodukterecht-Durchführungsgesetz (MPDG)).
  • Informieren Sie sich über die Anforderungen seitens der zuständigen Behörden in den Mitgliedsstaaten (z. B. das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)).
  • Informieren Sie sich über gemeinsame Spezifikationen sowie delegierte und Durchführungsrechtsakte der Europäischen Kommission in Bezug auf klinische Prüfungen.
  • Informieren Sie sich über neue oder geänderte Veröffentlichungen der Medical Device Coordination Group (MDCG) der Europäischen Kommission. 
  • Bewerten Sie im Hinblick auf die neuen regulatorischen Anforderungen der MDR den Bedarf an klinischen Nachweisen für Ihre Produkte und entwickeln Sie eine geeignete Strategie.
  • Etablieren Sie die notwendigen Arbeitsabläufe und effizienten Strukturen, z. B. in Bezug auf die Erstellung und Aktualisierung von klinischen Bewertungen, Risikomanagement und Qualitätsmanagement, Vigilanz und Post-Market Surveillance (PMS) System.
  • Auf der Website von CONSORT (Consolidated Standards Of Reporting Trials) finden Sie weitere Informationen zur Berichterstattung. Eine weitere wertvolle Ressource ist die Website von STROBE (Strengthening the Reporting of Observational Studies in Epidemiology), die von der Universität Bern betrieben wird.

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