01.01.2015 Mitgliederinformation

Gleichstromversorgung eines Bürogebäudes

Trend zu DC

Ende des 19. Jahrhunderts hat sich die Wechselspannung (AC) als Technik für die elektrische Energieversorgung gegen die Gleichspannung (DC) durchgesetzt. Während damals Glühlampen und Maschinen den Stromverbrauch prägten und zentrale Kraftwerke viele Abnehmer in teilweise weiter Entfernung versorgten, zeichnet sich heute ein Paradigmenwechsel ab. Aufgrund des vermehrten Einsatzes dezentraler Energieanlagen, motiviert durch den Klimawandel, sowie des steigenden Elektronik-Anteils in Stromverbrauchern, steigt die Zahl der DC-Komponenten.

Vor diesem Hintergrund arbeiten Industrie und Forschung an Konzepten, die verlustreiche, mehrfache Transformation zwischen AC und DC zu umgehen und Stromverbraucher lokal direkt mit Gleichspannung zu versorgen (DC Microgrids). Davon verspricht man sich insbesondere deutliche Effizienzsteigerungen und Kosteneinsparungen bei der Energieversorgung.

DC-Erzeuger

Photovoltaik-Zellen erzeugen gemäß dem photoelektrischen Effekt eine Gleichspannung. Zur Anbindung an das elektrische System sind Wechselrichter notwendig.

Generatoren formen mechanische in elektrische Energie um. Die in dezentralen Erzeugungsanlagen verwendeten Drehstromgeneratoren erzeugen naturgemäß Wechselspannungen, die zur Netzkopplung häufig über einen Frequenzumrichter eingespeist werden. Dabei sind prinzipiell ein Gleichrichter und ein Wechselrichter hintereinander geschaltet. Somit wird ein DC-Zwischenkreis erzeugt, der prinzipiell direkt nutzbar ist. Blockheizkraftwerke sind üblicherweise mit Synchrongeneratoren ausgestattet, insbesondere wenn ein Inselbetrieb ermöglicht werden soll.

Brennstoffzellen-BHKW gelten als vielversprechende Zukunftstechnologie mit hohem elektrischem Wirkungsgrad. Anders als Verbrennungskraftmaschinen erzeugen Brennstoffzellen durch eine elektrochemische Reaktion direkt Strom und Wärme. Der zum Teil aus Erdgas gewonnene Wasserstoff reagiert in der Zelle mit Sauerstoff zu Wasser. Dabei wird eine Gleichspannung erzeugt, die wiederum durch Wechselrichter eingespeist wird.

DC-Verbraucher

Elektronik-Komponenten sind in den meisten elektrischen Geräten installiert. Schätzungen zufolge durchfließen 80 % des verbrauchten Stroms in gewerblichen Gebäuden Leistungselektronik, Tendenz weiter steigend [1]. PCs, Bildschirme etc. besitzen intern verbaute oder externe Netzteile, die sie mit einer Gleichspannung versorgen. 40 – 80 % der Verlustleistung sowie 50 – 95 % des Gewichts und Volumens von Netzteilen sind auf die Versorgung mit Wechselspannung zurückzuführen.

Bis 2020 soll der Marktanteil der LED in der Beleuchtung auf 69 % ansteigen. Leuchtdioden benötigen eine Gleichspannung, weshalb die Leuchtsysteme ebenfalls mit Gleichrichterkomponenten ausgestattet sind. Sie nehmen mehr als 50 % des Platzbedarfs der Elektrik ein [2].

Elektrische Antriebe von Lüftungsanlagen, Wärmepumpen oder anderen Geräten einer Gebäudetechnik sind häufig drehzahlvariabel ausgelegt. Dazu sind Frequenzumrichter notwendig, die die Geschwindigkeit der Antriebe regeln und die Effizienz der Anlagen deutlich steigern [3]. Die Motoren an sich benötigen Wechselspannung, sind durch die Frequenzumrichter jedoch wiederum als DC-Verbraucher zu sehen.

Bis zum Jahr 2020 sollen eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. Ihre Lithium-Ionen-Akkus werden mit einer Gleichspannung geladen. Dazu befinden sich bisher Ladegeräte an Bord. Die Automobilkonzerne sind sich einig, dass DC-Ladestationen die Zukunftstechnologie der Stromtankstellen darstellen. Dadurch fallen Komponenten im Auto weg.

Kontakt
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Benjamin Munzel

DC-Speicher

Stationäre elektrische Speicher dienen der Integration volatiler, erneuerbarer Energiequellen. Akkumulatoren sind naturgemäß Gleichstromkomponenten. Um sie als stationäre Speicher an das AC-Netz anzubinden sind Batteriewechselrichter notwendig. Es sind bereits Systeme am Markt verfügbar, die den Solarstrom über einen Gleichstromkreis effizient mit dem Speicher verknüpfen. Andere Systeme nutzen PV- und Batteriewechselrichter.

DC-Übertragung und -Verteilung

Es liegt auf der Hand, dass Gleichstromsysteme die DC-Erzeuger, DC-Verbraucher und DC-Speicher zumindest lokal effizienter verknüpfen können als es das vorhandene Wechselstromnetz kann. Das konventionelle System hat dennoch seine Berechtigung. Die Verbraucher der Vergangenheit konnten Wechselstrom direkt verwenden und Transformatoren die Spannungen für eine effiziente Übertragung erhöhen bzw. verringern. Das war mit DC technisch so nicht möglich. Die Leistungselektronik hat jedoch in den vergangen Jahrzehnten, seit der Entwicklung des Transistors Mitte des 20. Jahrhunderts, enorme Fortschritte gemacht. Heute sind Gleichspannungswandler in der Lage, eine zugeführte DC-Spannung in eine höhere oder niedrigere DC-Spannung effizient umzuwandeln.

Die Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HVDC) ist mittlerweile bewährte Technik und wird eingesetzt, um hohe elektrische Leistungen über weite Strecken von Punkt zu Punkt zu transportieren. HVDC verursacht in diesen Fällen geringere Übertragungsverluste als eine Drehstromübertragung.

Im deutlich kleineren Maßstab etablieren sich aktuell auch Niederspannungs-Gleichstromnetze (LVDC) in bestimmten Anwendungsfeldern. Dazu zählen LED-Beleuchtungssysteme und Rechenzentren, in denen Server von einem zentralen Gleichrichter statt von vielen Netzteilen versorgt werden. Das kann im Vergleich zur konventionellen AC-Versorgung den Platzbedarf um 25 % und die Kapitalkosten um 15 % senken sowie die Effizienz um 10 % verbessern.

Normungsorganisationen wie die IEC, Berufsverbände wie das IEEE sowie Industrieverbände wie die EMerge Alliance befassen sich aktuell mit der Entwicklung von Standards und Konzepten für LVDC-Netze in Gebäuden. Dabei zeichnet sich ab, dass ein Spannungsniveau von 380 V DC für die Gleichstromverteilung in Gebäuden geeignet ist. In einzelnen Räumen könnte sich 24 V DC als Standard etablieren, um beispielweise Computer zu versorgen. Hersteller von Schützen und Schaltern arbeiten an Lösungen für den gesicherten Betrieb von LVDC-Netzen. Neben weitestgehend isolierten HVDC- und LVDC werden mittlerweile auch vermaschte Mittelspannungsnetze mit Gleichspannung erforscht.

AC vs. DC: Fallstudie Bürogebäude

Anhand eines konkreten Bürogebäudes sollen die möglichen Vorteile eines DC-Systems gegenüber der konventionellen Wechselstromversorgung abgeschätzt werden. Das Gebäude mit einer Nettogrundfläche von 4.500 m² bietet Raum für Büro-, Seminar- und Lagerräume einer öffentlichen Einrichtung. Es liegen Viertelstundenlastwerte vor und es wurde ein Energieversorgungskonzept basierend auf dem bestehenden AC-Netz entwickelt. Das Konzept sieht die wirtschaftliche Integration einer PV-Anlage, eines BHKW, einer Wärmepumpe und eines Batteriespeichers vor und realisiert eine Autarkiequote von 84 % ohne Mehrkosten [4]. Die maximale Last im Jahresverlauf beträgt 40 kW und 80 % der Zeit wird eine Grundlast von mindestens 3 kW nachgefragt. Der Jahresverbrauch beträgt 75 MWh. Bild 1 zeigt gemittelte Tageslastprofile.

Bild 1: Tageslastprofile

Die Stromverbraucher im Gebäude wurden nach Typ, Anzahl und Nutzungsprofil aufgenommen. Für die Beleuchtung werden zum einen herkömmliche Leuchten für 60 W Glühbirnen bzw. Kompaktleuchtstofflampen eingesetzt und zum anderen Spiegelrasterleuchten mit 58 W bzw. 18 W Röhren. Bei Computern, Bildschirmen und Druckern handelt es sich größtenteils um Modelle, die mehrere Jahre alt sind.

DC-System

Es wird ein fiktives Gleichstromsystem entwickelt und berechnet, das die DC-Komponenten direkt miteinander verknüpft [5]. Dabei wird an der Auslegung der dezentralen Energieanlagen im AC-Konzept festgehalten. Das DC-System basiert auf 380 V DC für die Stromverteilung im Gebäude. In Anlehnung an die Eingangsspannungen der elektronischen Verbraucher (Computer etc.), die bisher von deren Netzteilen bereitgestellt werden, sollen in den Büroräumen DC-DC-Wandler eine Spannung von 19 V DC zur Verfügung stellen. Ein zentraler, bidirektionaler Gleichrichter mit einem Wirkungsgrad von 98 % verbindet das DC-Inselnetz mit dem öffentlichen AC-Netz. So kann überschüssiger Strom eingespeist oder Strombedarf zusätzlich gedeckt werden.

Die PV-Anlage auf dem Dach des Gebäudes benötigt keinen Wechselrichter. Ein Modul zum Maximum Power Point Tracking sorgt für die Optimierung der Solarenergieausbeute und ein DC-DC-Wandler verbindet die Anlage mit dem 380 V DC Netz. Der Synchrongenerator des BHKW ist ursprünglich mit einem Frequenzumrichter verknüpft, dessen Wechselrichterkomponente bei der Anbindung an das DC-Netz entfällt.

Bild 2: DC-Versorgungsnetz

Die Computer, Bildschirme, Laptops und Drucker besitzen ursprünglich interne oder externe Netzteile. Die Netzteile können entfallen, wenn eine 19 V DC Leitung und entsprechende Stecker die Geräte eines Büroraums versorgen. Da in dieser Spannungsebene aufgrund der Leitungsverluste keine großen Distanzen überbrückt werden sollen, wird in jedem Büroraum ein DC-DC-Wandler in direkter Nähe zu den Verbrauchern installiert. Die Beleuchtung des Gebäudes soll fiktiv komplett in LED-Technik ausgeführt sein. Die LED-Treiber der einzelnen Leuchten in den Fluren und Räumen werden an das 380 V DC Netz angeschlossen. Der Antrieb der Wärmepumpe ist ursprünglich mit einem Frequenzumrichter ausgestattet, um einen drehzahlvariablen, effizienten Betrieb zu ermöglichen. Bei der Anbindung an das Gleichstromsystem entfällt dabei wiederum die Gleichrichterkomponente. Die Wechselrichterkomponente wird direkt an die 380 V DC angeschlossen.

Für die Einbindung des elektrischen Speichers ist kein Batteriewechselrichter notwendig. Ein Ladegerät managt den Lade- oder Entladestrom ohne ihn in AC umzuwandeln. Das steigert den Wirkungsgrad des Batteriesystems. Bild 2 stellt das entwickelte DC-System für das Bürogebäude dar.

Bild 3: Effizienzsteigerungen durch DC-Konzept

Technisch-wirtschaftlicher Vergleich

Der elektrische Energiefluss durchläuft in den unterschiedlichen Systemen verschiedene Wege über Umwandlungskomponenten. Je nach Auslastung besitzen die Komponenten unterschiedliche Wirkungsgrade. Zur Abschätzung der Gesamteffizienz werden drei Belastungsfälle angenommen: Standby (nachts, Wochenende), Betrieb (Arbeitszeiten), Max (hohe Auslastung phasenweise während Betrieb). Je Verbraucher und je Belastungsfall werden Annahmen bezüglich der Leistungsaufnahme getroffen. Sie basieren auf Messungen und Recherchen.

AC-DC-Netzteile erreichen im Schwachlastbetrieb geringere Wirkungsgrade als bei hoher Auslastung. DC-DC-Wandler besitzen nahezu konstante, höhere Wirkungsgrade. Eine direkte DC-Versorgung resultiert bei Computern in einer Effizienzsteigerung von 16-37 %. Die Einsparungspotenziale bei einer Umstellung von konventionellen Leuchtmitteln mit AC-Versorgung auf LED mit DC-Versorgung betragen 67 %.

Um die Gesamteinsparungen hochzurechnen, wurden mit einem Profilgenerator die Betriebszeiten und Belastungen der identifizierten Verbraucher simuliert. Bild 3 zeigt, dass der Strombedarf im Ergebnis um 47 % gesenkt werden kann. Dabei entfallen 31 % auf die Umstellung der Beleuchtung auf LED. Weitere 16 % werden durch die DC-Versorgung, d.h. durch die Vermeidung von AC-DC-Umwandlungsverlusten, eingespart.

Vermiedene Umwandlungsverluste senken den Strombedarf des Gebäudes. Bei einer angenommenen Bepreisung von 19,5 ct/kWh werden durch eine DC-Versorgung Stromkosten in Höhe von rund 2.400 € jährlich eingespart.

Darüber hinaus können bei der Integration von DC-Erzeugern, -Verbrauchern und -Speicher in das Gleichstromnetz im Vergleich zum AC-Konzept viele Komponenten entfallen. Dazu zählen die Netzteile der Computer oder der Wechselrichter der PV-Anlage. Hierbei handelt es sich jedoch um Massenprodukte, die in den meisten Fällen zum Lieferumfang der Endgeräte zählen. Die eingesparten AC-DC-Komponenten werden durch effiziente DC-DC-Wandler ersetzt. Dabei handelt es sich um einen Wachstumsmarkt, der in seinem Volumen jedoch nicht mit dem AC-DC-Netzteilmarkt zu vergleichen ist. Entsprechend hoch sind noch die Kosten für die Komponenten, die für das 380/19 V DC Netz notwendig sind. Für die knapp 100 Büroräume sind DC-DC-Wandler in gleicher Anzahl notwendig. Ob ihre Mehrkosten durch die jährlichen Stromkosteneinsparungen von rund 2.400 € während ihrer Lebensdauer kompensiert würden, ist nicht abschätzbar.

Folglich ist die Frage, welche Kostensenkungen in der Leistungselektronik noch erreicht werden können bzw. erreicht werden müssten, von großem Interesse.

Literatur

[1] Patterson, Brian T.: DC - The Power to Change the World, NREL Microgrid R&D Workshop, 2012

[2] Waffenschmidt, Eberhard; Böke, Ulrich: Low Voltage DC Grids, INTELEC Hamburg, Berlin: VDE Verlag, 2013

[3] Savage, Paul; Nordhaus, Robert R.; Jamieson, Sean P.: DC Microgrids: Benefits and Barriers, Yale School of Forestry & Environmental Studies, 2010

[4] Munzel, Benjamin; Muuß, Fridolin; Psola, Jan-Hendrik; Hemdan, Nasser G. A.: Effizientes und ökonomisches Energieversorgungskonzept von Bürogebäuden mit hoher Autarkiequote, Frankfurt: VDE-Kongress, 2014

[5] Munzel, Benjamin; Muuß, Fridolin; Psola, Jan-Hendrik; Hemdan, Nasser G. A.: DC Energieversorgungskonzepte für Großgebäude mit hoher Autarkiequote, Frankfurt: VDE-Kongress, 2014

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