VDE: Das ist natürlich sehr spannend. Jetzt sprechen Sie von Hochleistungsbatteriezellen, das bedeutet, dass Sie eher den Markt für Plug-In- und Hybridfahrzeuge bedienen, Hochenergiezellen machen sie dann in dem Schritt nicht, richtig?
Rainer Hald: Es kommt bei der VARTA AG immer auf die jeweilige Business Unit und das Produkt an, über das wir sprechen. Nehmen wir zum Beispiel die kleinen Lithium- Ionen Zellen, die ja hauptsächlich in Bluetooth Headsets genutzt werden. Da geht es sehr wohl um eine größtmögliche Energiedichte, weniger um die Leistungsdichte, hier ist wirklich die Energiedichte gefragt.
VDE: Hier kann man Ihnen zu Ihrer Leistung gratulieren: Ein mittelständisches deutsches Unternehmen aus dem Schwabenland mit einer so langen Tradition behauptet sich im Wettbewerb gegen sehr starke asiatische Hersteller. Da stellt sich uns die Frage: Haben die asiatischen Hersteller hier einen großen Vorsprung, sind sie wirklich uneinholbar, wie oftmals beschrieben oder sind sie Innovationsführer in einem kleineren Nischenmarkt beziehungsweise wird sich eine Innovationsführerschaft auch in dem Elektromobilitätsbereich durchsetzen – wie ist Ihre Einschätzung zur eigenen Unternehmensposition im Markt?
Rainer Hald: Ja, es stimmt natürlich, dass asiatische Hersteller den Markt für, ich nenne es mal Standardzellen im Volumensegment dominieren. Das ist historisch gewachsen und die Hersteller profitieren natürlich von enormen Skalierungseffekten, sind aber nicht uneinholbar. Ich denke in Europa und auch bei der VARTA AG konzentrieren wir uns auf technologisch sehr anspruchsvolle Anwendungen, bei denen es nicht nur um Masse geht, sondern eben auch um Qualität, Leistungsfähigkeit, Sicherheit und Integration.
Unsere Stärke liegt speziell in der Entwicklung von maßgeschneiderten Zelllösungen mit sehr spezifischen technologischen Vorteilen, sei es in der Energiedichte, in der Leistungsdichte, der Lebensdauer oder auch im thermischen Management. Und gerade in diesen anspruchsvollen Segmenten, glaube ich, ist „Made in Europe“ und „Made in Germany“ nicht nur konkurrenzfähig, sondern oft auch führend. Für mich bedeutet dies, dass das Rennen keinesfalls entschieden ist. Es findet eben nur auf unterschiedlichen Ebenen statt. Man muss sich einfach in unterschiedlichen Segmenten bewegen.
VDE: Beim Thema Lithium-Ionen Batterien sind die Themen Rohstoffe und Aktivmaterialien für Anode und Kathode besonders spannend. Dieses Feld wird schon länger durch asiatische Unternehmen geprägt. Wie hat sich der Markt zwischenzeitlich aufgestellt, importieren sie im Zweifel auch noch viele Aktivmaterialien aus dem Ausland oder gibt es jetzt auch regionale Hersteller, die sich dem angenommen haben?
Rainer Hald: Ja, in der Tat wird nach wie vor sehr viel importiert. Der Zugang zu Rohstoffen ist derzeit für uns noch sehr gut abgesichert und sichergestellt. Das liegt auch an langfristigen Partnerschaften und der strategischen Beschaffung, aber wenn wir als VARTA AG in die Zukunft blicken, dann sehen wir sehr große Herausforderungen auf uns als Unternehmen zukommen. Eine echte europäische Souveränität in der Lieferkette zu erhalten ist sicherlich kein kurzfristiges Projekt, sondern ein langfristiger Prozess und Weg mit noch vielen Stolpersteinen. Es geht nicht nur um direkte Rohmaterialien, die wir als Batteriehersteller einsetzen, wie zum Beispiel Lithium oder Kobalt, sondern auch um die Vorstufen, die Vorprodukte und Zwischenstufen, die dann auch idealerweise in Europa beziehungsweise in Deutschland produziert werden soll(t)en.
Nur so werden wir dann unabhängig und resilient, besonders angesichts der globalen Lieferengpässe oder auch geopolitischer Spannungen, wie wir sie gerade aktuell erleben. Die Schaffung dieser Lieferketten erfordert eine sehr enge Zusammenarbeit von Industrie, Politik und Forschung und wird eine zentrale Rolle spielen, um die Wettbewerbsfähigkeit von Europa im Batteriebereich sicherzustellen.
VDE: Hoch interessant. Wenn wir uns die Politik anschauen: Was wünschen Sie sich von der Politik, wie kann Sie die eben skizzierten Maßnahmen flankieren?
Rainer Hald: Die Politik kann Unternehmen mit langfristigem Denken unterstützen. Es ist bei Themen, wie wir Sie gerade angesprochen haben nicht ausreichend, wenn man in ein, zwei bis drei Jahreszeiträumen denkt. Der Planungshorizont sollte hier ein wesentlich längerer sein und man muss diese Zeiträume auch durchhalten und am Plan festhalten, der aufgestellt wurde und diesen konzentriert umsetzen. So etwas kann dann gut und gerne auch mal ein paar Jahre länger dauern, bis man zum Beispiel die vollständigen Lieferketten umfangreich aufgebaut hat mit all ihren Vorstufen. Selbst zehn Jahre als Planungshorizont sind immer noch zu wenig, bis so etwas aufgebaut ist.
VDE: Hinzukommt auch das abrupte Ende der Förderung für Elektromobilität. Es wurde ein psychologischer Effekt in Gang getreten, bei dem es nicht nur um das reine Geld ging, sondern auch um das verloren gegangene Vertrauen. Es wirkte fast so, dass vielleicht selbst die Regierung nicht mehr wirklich an die Technologie als solche geglaubt hat.
Anders in China, das die langfristige Planung anhand von Fünf-Jahresplänen umsetzt. Wenn die Politik kontinuierlich am Ball bleibt, kommt auch keine Verunsicherung im Markt und innerhalb der Gesellschaft auf.
Rainer Hald: Da stimme ich Ihnen zu, das kann ich nur unterstreichen. Das meinte ich auch mit längerfristigen Plänen. Es braucht für alle Akteure eine Planbarkeit und Gewissheit, dass ein Projekt beziehungsweise Vorhaben auch über einige Jahre bestehen bleibt und durchgezogen wird, bis der Ball sich wirklich auch im Tor befindet. Doch es kann auch dauern, bis der Ball im Tor ist.
VDE: Sie hatten erwähnt, dass mit der VARTA AG und Porsche zwei sehr große deutsche Unternehmen und Marken aktuell zusammen ein Joint Venture beziehungsweise ein Tochterunternehmen führen. Gewähren Sie uns bitte hier einen kurzen Einblick, was hier künftig geplant ist?
Rainer Hald: In der Tat, bei dem Zusammenschluss handelt es sich um die V4Drive GmbH, die jetzt V4Smart heißt und mittlerweile nach der Restrukturierung mehrheitlich im Besitz einer Porsche Gesellschaft ist. Das unterstreicht das Vertrauen in die Technologie.