VDE: Herr Heinemann, herzlichen Dank für die Einladung nach Blomberg, den Besuch im All-Electric Society Park – der sehr eindrucksvoll ist – und das gemeinsame Interview. Die Einstiegsfrage betrifft ihr Mobilitätsverhalten: Fahren Sie auch privat ein Elektrofahrzeug?
Michael Heinemann: Danke auch Ihnen für den spannenden Tag! Ja, natürlich fahre ich elektrisch, rein elektrisch. Und ich meine, dass ich dem auch von Berufswegen verpflichtet bin und das schon seit mehr als sieben Jahren. Und nicht nur ich selbst bin davon überzeugt, auch meine gesamte Familie fährt inzwischen rein elektrisch. Hier sind dann aber weniger berufsbedingte Gründe ausschlaggebend, sondern wirtschaftliche und ökologische Gründe.
VDE: Der VDE ist in vielen verschieden Branchen aktiv, für unser heutiges Interview sind vor allem die Bereiche Elektromobilität, Energieerzeugung- und -verteilung relevant. Hierzu haben wir im Jahr 2021 die Studie „Antriebsportfolio der Zukunft“ veröffentlicht, in der wir die Antriebsarten batterie-elektrisch, Brennstoffzelle und E-Fuels für die Verkehrsträger PKW, Nutzfahrzeuge (LKW und Busse) sowie Sonstige (Oldtimer, Sportwagen) hinsichtlich relevanter Anwendungsfälle hin analysiert haben. Eine Frage ist nach wie vor von hoher politischer und gesellschaftlicher Relevanz: Wie ist Ihre Einschätzung hinsichtlich der Antriebsart im Bereich privater PKWs geben – eine oftmals sehr kontrovers geführte Debatte?
Eine vollständig elektrifizierte Fahrzeugflotte bei PKW ist möglich
Michael Heinemann: Beim PKW glaube ich an eine 100%ige Elektrifizierung der Fahrzeugflotte. Warum? Der batterieelektrische Antrieb ergibt hier am meisten Sinn – gerade auch aus ökologischen Aspekten! Wir haben das elektrische Fahren nicht deswegen entwickelt, weil wir eine neue bzw. alternative Antriebstechnik brauchten, sondern um Emissionen zu reduzieren und die Klimaschutzziele zu erreichen. Und da ist der rein elektrische Antrieb den anderen Antriebsarten weitaus überlegen. Vergleicht man bspw. den Gesamtwirkungsgrad mit einem Wasserstoffantrieb, dann liegen wir hier etwa um den Faktor drei bis vier besser.
VDE: Die Debatte wird hierzulande sehr emotional geführt, beschränkt sich aber dann meist auf den PKW. Wie denken Sie über den Transportsektor, also Nutzfahrzeuge (NFZ) und Lastkraftwagen (LKW)? Gerade hier gibt es auch sehr ambitionierte CO2-Flottenziele. Blicken wir zurück in das Jahr 2021, damals war das Rennen zwischen dem batterieelektrischen- und dem Brennstoffzellen-Truck durchaus noch offen. Die teilnehmenden Meinungsführer/-innen haben sich für den Brennstoffzellen für längere Strecken beziehungsweise über Ländergrenzen hinweg ausgesprochen und für kürzere, sprich regionale Strecken, wiederum für den batterieelektrischen Antrieb. Wie ist Ihre Einschätzung hierzu basierend auf aktuellen Trends und Entwicklungen?
Michael Heinemann: Diese Entscheidung trifft allein der Kunde. In diesem Falle sind es Logistikunternehmen mit großen Flotten. Hier steht die Wirtschaftlichkeit in Form der Total-Cost-of-Ownership (TCO) als relevante Kennzahl im Vordergrund. Bei den TCOs übersteigen die Betriebskosten eines LKW die Anschaffungskosten um ein Vielfaches. Die Betriebskosten sind bei einem elektrischen LKW deutlich günstiger als beim Diesel – insbesondere wenn die Unternehmen eigenen Solarstrom nutzen oder ihren Firmen-Stromtarif auch für Ladungen unterwegs nutzen können, was gerade in der Diskussion ist. Aufgrund zahlreicher Projekte im Nutzfahrzeugbereich bekommen wir von unseren Kunden rückgemeldet, dass es gegenwärtig eine sehr große Nachfrage nach vollelektrischen E-LKWs gibt – auch bei längeren Strecken. Woran dies liegt? Vor allem an der rasanten Entwicklung der Batterietechnologie, die sich in den letzten drei bis vier Jahren stark entwickelt hat. Dies umfasst neben den Kosteneinsparungen und Leistungssteigerungen vor allem auch die Ladeperformance, um diese großen Batterien wieder aufzuladen. Auch hier gab es eine dynamische Weiterentwicklung, weswegen der Trend klar in die Richtung batterieelektrischer Long-Haul LKWs, also Langstrecken-LKW‘s, tendiert.