Muzaffer Canay kam am 2. September 1928 in der Türkei zur Welt und wuchs unweit des Marmara-Meeres zu Füßen des Uludag- Gebirges auf. Er studierte Elektrotechnik an der Technischen Universität Istanbul, machte mit besten Noten im Jahr 1951 den Bachelor- und 1954 den Masterabschluss. Schon 1953 hatte die Universität eine Ferienarbeit bei der Maschinenfabrik Oerlikon MFO in der Schweiz vermittelt, ein Praktikum für weitere drei Monate folgte im Jahr darauf. Dabei sollte seine Lust an Theoretischem in der Elektrotechnik durch einen namhaften Betreuer noch beflügelt werden. Als Jungingenieur zog es Canay schon 1956 wieder in die Schweiz, dieses Mal zur Firma BBC in Baden, und - nach zweijährigem Militärdienst im Heimatland - wieder zu BBC, wo er 1959 in der Entwicklung elektrischer Maschinen tätig wurde. Im selben Jahr schloss Muzaffer mit der Schweizerin Melanie Wirth den Ehebund. Eine Dozententätigkeit führte ihn 1961/62 zum Elektrotechnik- Lehrstuhl in Istanbul. Danach setzte er die Laufbahn bei BBC fort - in aufsteigender Verantwortung und Position, ohne Unterbrechung bis Eintritt in den Ruhestand 1993.
Die Firma BBC, später ABB, bot im Gebiet elektrischer Maschinen für I.M. Canay das ideale Arbeitsfeld und setzte dessen Theorie-Talent gerne beim Weiterentwickeln ihrer Technik ein. Im Vordergrund standen Wasserkraft- und Turbogeneratoren sowie große Synchronmotoren, vor allem ihr dynamisches Verhalten unter außerordentlichen Betriebsbedingungen. Jede Studienaufgabe, die dem stillen und verlässlichen Denker Canay anvertraut wurde, war Ansporn zu Neuem. Er selbst hinterfragte auch die Grenzen von Berechnungsverfahren und Theorien. Ein ganz großer Wurf gelang ihm durch „Erweiterte Ersatzschemata der Synchronmaschine sowie Vorausberechnung ihrer Kenngrößen“. Er präsentierte diese Arbeit 1968 als externe Dissertation an der Ecole Polytechnique de l’Université de Lausanne EPUL und setzte damit das Erbe seines früheren Mentors Dr. h.c. Theodor Laible von der MFO würdig fort. Eine Fülle theoretischer Arbeiten - technisch wertvoll und wissenschaftlich hochrangig - sollte entstehen, vieles davon wurde vorgetragen und publiziert - die ersten zwei von insgesamt fast 70 Aufsätzen erschienen bereits 1959. Markenzeichen seiner Arbeit war immer, dass die theoretischen Funde experimentell untermauert wurden, dank Sondermessungen an Großgeneratoren und -motoren im Firmen-Prüffeld und in Anlagen der Betreiber. Zur Förderung des Fachnachwuchses dozierte Canay wiederholt am Nachdiplomstudium der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich ETHZ.
Für seine Verdienste erhielt Dr. I. M. Canay mehrfach Auszeichnungen: 1972 war es der Sebastian-de-Ferranti-Preis, in England übergeben, 1975 derjenige der Fondation George Montefiore aus Belgien, 1990 der Heinrich-Hertz-Preis der Badenwerk-Stiftung, verliehen an der Universität Karlsruhe. Hinzu kam 1998 der PES Working Group Award aus den USA für die Mitwirkung beim neuen IEEE Standard 115-1995 „IEEE Guide: Test Procedures for Synchronous Machines“. Lobende Erwähnung fand Canay im Buch „Ingenieure bauen die Schweiz“, erschienen 2013 im Verlag Neue Zürcher Zeitung. Die größte Anerkennung besteht darin, dass das nach Canay verbesserte mathematische Gerippe der Synchronmaschine von nahezu der ganzen Fachwelt übernommen worden ist.
Dr. sc. techn. I. M. Canay ist am 3. März 2017 im Alter von 88 Jahren verstorben.