Für eine neue Fehlerkultur
Elizabete de Freitas, bei Texas Instruments für die Zusammenarbeit mit der mitteleuropäischen Autoindustrie verantwortlich, kritisierte die hiesige Risikokultur. Es sei nicht gut, „wenn uns die Prozesse zu langsam machen und Innovation verhindern.“ Ein Problem, das sich nach Christoph Eirich, Leiter des Einkaufs beim Autozulieferer Dräxlmaier, mit der mehr und mehr nötigen gleichzeitigen Entwicklung von Halbleiter, Komponente und Fahrzeug noch verschärfen wird: „Wenn es an irgendeiner Stelle schiefgeht, dann stehen alle.“ Es brauche eine Kultur, die Fehler „über mehrere Wertschöpfungsstufen“ tolerierbar mache.
Mit Blick auf den Staat sagte ZVEI Präsident Dr. Gunther Kegel: „Das Wichtigste und vor allem Preiswerteste ist eine weitgehende, wirkliche Entbürokratisierung. Das kostet keinen Pfennig und setzt unglaubliche Kräfte frei.“
Freilich hielten alle Vortragenden neben solchen besseren Rahmenbedingungen auch eine stärkere Förderung für nötig – unter anderem, so Christoph Kutter, um eine „technologische Souveränität“ für freie Entscheidungen zu erlangen: „Wir brauchen Bereiche, wo wir führend sind, und wo wir eben auch die Möglichkeit hätten, andere zu blockieren.“ Er lobte die EU-Programme IPCEI und den EU-Chips-Act. Jedoch kritisierte Gunnar Thomas, General Counsel EMEA bei TSMC, diese Förderprogramme als zu bürokratisch und kompliziert für Mittelständler. Ähnlich Gunther Kegel, der als Alternative Steuergutschriftsverfahren ins Spiel brachte, welche „das unternehmerische Risiko da lassen, wo es hingehört, nämlich beim Unternehmer.“ Kegel regte außerdem an, Normung und Standardisierung in die steuerliche Forschungsförderung aufzunehmen.
Bundesforschungsministerin Dorothee Bär kündigte an, ihr Haus werde zusätzlich zu dem Geld aus dem Wirtschaftsministerium bis zum Ende der Legislaturperiode „mindestens 18 Milliarden Euro investieren“, unter anderem in ein „Chipdesign-Kompetenzzentrum“. Zudem kündigte sie Änderungen im Vergaberecht an – sowohl bei der Forschungsförderung („Innovationsfreiheitsgesetz“) als auch bei staatlichen Ausgaben, wo Sicherheit ein größeres Gewicht bekommen solle. Letzteres ganz im Sinne von Gunnar Thomas’ Forderung, Cloudservices lokal einzukaufen, was nach seinen Worten „mit relativ kleinem Geld“ schlussendlich auch „für lokale Nachfrage bei der Chipherstellung“ sorgen könne.
Innovationen aus Deutschland
Benjamin Sokolowski, Vice President Government Affairs bei Qualcomm Germany, stellte ein in deutsch-amerikanischer Zusammenarbeit mit BMW entstandenes System für autonomes Fahren vor. Das globale Entwicklerteam von über 1.400 Spezialisten sei aus Bayern geführt worden. Bisher einmalig sei, dass das System der gesamten Automobilindustrie zur Verfügung gestellt werde.
Eine technologische Weltneuheit präsentierte Dr. Sabine Kolodinski, stellvertretende Leiterin Governmental Relations bei FMC. Ferroelektrisches Hafniumoxid werde es zukünftig erlauben, die traditionelle Computerarchitektur mit zwei flüchtigen und einem persistenten Speicher sowie zwei Datentransferebenen dazwischen („Memory Walls“) durch nur einen Chip mit einem persistenten Speicher ohne Strombedarf zu ersetzen. Der so stark verringerte Energiebedarf bei gleichzeitig erhöhter Leistung werde KI-Anwendungen im Endgerät ermöglichen.