Nach einer Ausbildung und mehrjährigen Tätigkeit als Elektromonteur im Starkstrombereich studierte er Elektrotechnik an der TH Hannover. Nach seinem Abschluss wechselte er zum Institut für Verfahrenstechnik und Dampfkesselwesen im Fachbereich Energietechnik der damaligen TH, heute Universität Stuttgart. Dort wurde er 1969 mit der Arbeit „Regellose Signalverläufe, statistische Mittelung unter realen Bedingungen: Abbruch- und Durchlaßfehler bei Anwendung der Korrelationstheorie“ bei Prof. Rudolf Quack promoviert. Im Anschluss gründete er die Abteilung „Stromerzeugung und Automatisierungstechnik“, die er bis 2003 leiten sollte. In dieser Zeit schloss er 1976 zunächst seine Habilitation ab zu dem Thema „Regelverhalten von Parameter- und Strukturoptimierten Zweigrößen-Regelsystemen bei sprungförmigen und regellosen Einflussgrößen“. Im Jahr 1980 wurde er schließlich als Professor für Kraftwerksautomatisierung und Netzregelung berufen.
Zu den Schwerpunkten seiner Lehr- und Forschungsaktivitäten zählten Prozessleittechnik, Kraftwerksautomatisierung und Netzregelung sowie übergeordnet die sinnvolle Weiterentwicklung der globalisierten Gesellschaft. Besonders wichtig war Prof. Welfonder der praktische Bezug seiner Forschung und Lehre, weshalb er großen Wert auf den Vergleich von Simulationsergebnissen mit Messungen aus realen Kraftwerken und Netzen legte. Seinen Forschungsthemen und deren Fortbestand an der Universität Stuttgart fühlte er sich auch über seinen Ruhestand hinaus verpflichtet, so dass er noch längere Zeit in enger Verbindung mit der von ihm gegründeten Abteilung blieb.
Prof. Welfonder wirkte auch über die Universität Stuttgart hinaus. Bereits 1980 gründete er den gemeinsamen Fachausschuss „Netzregelung“ der VDI Gesellschaft für Automatisierungstechnik (GMA) und der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG). Diesen Fachausschuss leitete Prof. Welfonder über zwanzig Jahre lang. Er existiert auch heute noch unter dem Namen „Netzregelung und Systemführung“ und ist einer der bekanntesten Expertengruppen im deutschsprachigen Raum zu Fragestellungen der Regelung und Stabilität der Stromversorgung. Auch beim Verband der Kraftwerksbetreiber, heute vgbe energy, war er in mehreren Gremien aktiv.
International brachte er sich unter anderem aktiv in die Arbeit der International Federation on Automatic Control (IFAC) ein, wo er die Einrichtung der Working Group „Control of Power and Energy Systems“ vorantrieb.
Insgesamt war er fast vierzig Jahre lang an der Universität Stuttgart tätig, davon über zwanzig als Professor. Er war sehr gerne mit jungen Menschen zusammen. Anlässlich seines neunzigsten Geburtstags konnte er noch eine Feier mit vielen seiner zahlreichen ehemaligen Doktoranden und Mitarbeitern begehen. Dort hielt er noch ein letztes Mal einen Vortrag zu dem Thema, das ihm insbesondere in seinen späteren Berufsjahren und bis zu seinem Lebensende sehr am Herzen lag: Wie können wir die globalisierte Gesellschaft so weiterentwickeln, dass auch nachfolgende Generationen weltweit die Chance auf eine lebenswerte Zukunft haben?
Am 2. August 2025, wenige Monate nach seinem neunzigsten Geburtstag, verstarb Prof. Dr.-Ing. Ernst Welfonder. Wir werden Prof. Welfonder und sein langjähriges Engagement in guter Erinnerung behalten.
Prof. Dr.-Ing. Hendrik Lens