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18.09.2025 Studie TOP

Fokus Bahnen: Mut zur Fahrleitung - Neuer ETG Impuls und Leitfaden

  • Rund 40 Prozent des Schienennetzes in Deutschland sind noch nicht elektrifiziert und werden mit Dieseltriebzügen oder Hybridfahrzeugen betrieben
  • Konsequente Elektrifizierung kann für mehr Nachhaltigkeit, Pünktlichkeit und Verfügbarkeit im Bahnverkehr sorgen
  • VDE ETG entwickelt Bewertungstool, das Kommunen, Verkehrsbetriebe und Politik bei der Bewertung von konkreten Planungen unterstützt und Verfahren beschleunigt

www.vde.com/etg/mut-zur-fahrleitung

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Ylber Azemi

90 Prozent des Bahnverkehrs in Deutschland konzentrieren sich auf etwa 62 Prozent der Schienen – nämlich den Teil, der bereits elektrifiziert ist. Dennoch gibt es bei neuen Planungsverfahren häufig die Tendenz, mit Übergangstechnologien wie Batterie- oder Wasserstoffhybridfahrzeugen zu arbeiten. Dr. Carsten Söffker, Leiter des Fachgebiets Bahnen mit elektrischen Antrieben bei der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG), stellt fest: „Oftmals wird eine Zwischenlösung der langfristig sinnvollen Investition gegenüber bevorzugt. Unter anderem deshalb, weil es bei größeren Bauvorhaben nicht einfach ist, alle Stakeholder an Bord zu holen.“

CO2-Ausstoß und Betriebskosten reduzieren, Pünktlichkeit und Verfügbarkeit erhöhen
Dabei sparen mit erneuerbaren Energien betriebene Züge mit Fahrleitung bis zu 90 Prozent CO2 ein und reduzieren die Betriebskosten deutlich. Ein einheitliches Schienennetz mit einer elektrifizierten Fahrzeugflotte erhöht zudem Pünktlichkeit und Verfügbarkeit, was für die Zukunft von Logistik und Personenverkehr von hoher Bedeutung ist. Um vor allem zu Beginn neuer Planungsvorhaben für mehr Geschwindigkeit und eine einfache, transparente Bewertung verschiedener Ansätze zu sorgen, präsentiert die VDE ETG in ihrem neuen Impulspapier und dem dazugehörigen Leitfaden „Mut zur Fahrleitung“ ein Bewertungstool für Entscheider. „Oft bleiben Vorhaben zu einem frühen Zeitpunkt stecken, externe Studien werden beauftragt und helfen nicht weiter. Unser Vorschlag schafft aus recht großer Flughöhe eine erste Annäherung und ist von Praktikern für Praktiker entwickelt.“

Best Practice: Hindernisse überwinden, Lösungen schaffen
Dass es möglich ist, im Regional- und Stadtverkehr auch große Projekte erfolgreich abzuwickeln, zeigt schon das mittlerweile 20 Jahre alte Karlsruher Modell. Dort wurde von Anfang an konsequent kommuniziert, dass die geplante Zweisystem-Stadtbahn Fahrten von Pforzheim bis in das enge Zentrum der Kurstadt Bad Wildbad im Schwarzwald ohne Umsteigen ermöglichen würde. Damit waren alle Stakeholder früh involviert und das Projekt konnte ohne größere Komplikationen realisiert werden. Die Breisgau-S-Bahn ist ein weiteres, jüngeres Beispiel dafür, wie der Regionalverkehr auf Nebenbahnen durch Elektrifizierung und moderne Fahrzeuge aufgewertet werden konnte. „Das eine perfekte Modell gibt es nicht, es sind immer ein paar Anlaufschwierigkeiten zu stemmen.“, sagt Söffker. „Aber die Beispiele zeigen, dass eine Umsetzung auch mit vielen Beteiligten möglich ist, wenn alle an einem Strang ziehen.“

Leitfaden zur Bewertung verschiedener Ansätze im Regional- und Stadtverkehr
Das Bewertungstool, das die VDE ETG im Leitfaden „Mut zur Fahrleitung“ vorstellt, reduziert den sehr umfangreichen Prozess auf zwanzig wesentliche Kriterien. Ob Fahrleitung, Dieseltriebwagen oder Bus: Für jede Mobilitätsvariante kann definiert werden, ob ein Kriterium bezogen auf die betroffene Gemeinde sehr wichtig, wichtig oder unwichtig ist. Am Ende lässt sich auf Basis eines einfachen Rechenmodells ermitteln, wie gut die verschiedenen Vorschläge mit Blick auf die unterschiedlichen Kriterien abschneiden. „Das Tool ist so konzipiert, dass Anwenderinnen und Anwender Kriterien weglassen oder ändern können, um am Ende eine erste Nutzwertanalyse für ihre konkrete Situation zur Verfügung zu haben.“

Unter anderem lässt sich daran ablesen, welche Stakeholder aktiv eingebunden werden sollten, um sie für ein Projekt zu gewinnen. Zeigt man Stadtplanern beispielsweise auf, dass sich Oberleitungen dezent ins Stadtbild einfügen können und Designmasten sogar schon mit Architekturpreisen ausgezeichnet wurden, können Gegner zu Befürwortern werden. „Auf diese Weise können Dinge schneller in Gang kommen, so dass am Ende nicht die einfachere, sondern die nachhaltigere Lösung gewählt wird.“, betont Söffker.

Der ETG Fachbereich A2 "Bahnen mit elektrischen Antrieben"