Das Wichtigste in Kürze
- Höhere Anforderungen an dezentrale Erzeugungsanlagen sorgen für Integration künftiger Erzeugungsleistung mit neuen netzstützenden Eigenschaften
- Anwendungsregel setzt europäischen Network Code „Requirements for Generators“ für die Niederspannung um
- Zusammen mit der TAR Niederspannung (VDE-AR-N 4100) entsteht ein neues Basisregelwerk für diese Spannungsebene
Die Anwendungsregel stellt höhere Anforderungen an dezentrale Erzeugungsanlagen. Damit entsteht der Rahmen um weitere Erzeugungsleistung in die Niederspannungsnetze integrieren zu können. Ein weiterer Treiber für die Überarbeitung ist die Umsetzung des europäischen Network Codes „Requirements for Generators“ (RfG) für die Niederspannung in Deutschland. Künftig gilt: Neuanlagen, die nach der Anwendungsregel „Erzeugungsanlagen in der Niederspannung“ angeschlossen werden, erfüllen auch alle technischen Anforderungen aus diesem europäischen Network Code.
Den größten Anteil von Erzeugungsanlagen in der Niederspannung machen Photovoltaik-Anlagen aus, viele davon in privaten Haushalten. Aber auch Blockheizkraftwerke (BHKW), Wasserkraftanlagen, Kleinwindenergie und Brennstoffzellen gehören dazu. Die neue Anwendungsregel umfasst erstmals auch Anforderungen an Speicher, die sich beim Ausspeichern wie Erzeugungsanlagen verhalten müssen.
Wesentliche Neuerungen sind unter anderem:
- Dynamische Netzstützung: Neue Erzeugungsanlagen müssen künftig bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen oder -erhöhungen am Netz bleiben und es so stützen
- Einspeisung von Blindleistung in Abhängigkeit von der Spannung (Q(U)-Regelung) kann genutzt werden: Je nach örtlichen Gegebenheiten lassen sich so mehr Erzeugungsanlagen in ein vorhandenes Netz integrieren
- Wirkleistungsabgabe bei Unterfrequenz: Wenn Leistung im System fehlt, speisen Erzeugungsanlagen und Speicher künftig verstärkt ein und stützen so das System
Künftig ist vorgesehen, dass Erzeugungsanlagen in der Niederspannung die dynamische Netzstützung erbringen können. Das bedeutet, dass Anlagen auch bei kurzzeitigen Spannungseinbrüchen oder -erhöhungen am Netz bleiben, anstatt sich wie bisher abzuschalten. Damit wird eine ungewollte Abschaltung von Erzeugungsleistung und eine Gefährdung der Netzstabilität verhindert.
In der Niederspannung stützen Erzeugungsanlagen seit 2011 die Spannung wahlweise nach zwei bewährten Verfahren, die jedoch nicht auf die Spannung am Anschlusspunkt reagieren. Ein weiteres Verfahren, die Einspeisung von Blindleistung in Abhängigkeit von der Spannung, so genannte Q(U)-Regelung, hat sich bereits seit längerem in der Hoch- und Mittelspannung bewährt. In Zukunft soll sie auch in der Niederspannung genutzt werden können. Dadurch lassen sich, je nach örtlichen Gegebenheiten, mehr Erzeugungsanlagen an ein vorhandenes Verteilnetz anschließen. Mit dieser Anforderung sowie der dynamischen Netzstützung überführt VDE FNN wesentliche Ergebnisse der FNN Studien „Verhalten im Fehlerfall“ und „Statische Spannungshaltung“ von 2015/2016 in die Praxis.
Schließlich müssen Erzeugungsanlagen künftig einem Absinken der Netzfrequenz durch Erhöhen ihrer Einspeiseleistung entgegenwirken. Das gilt insbesondere auch für Speicher. Unterfrequenz bedeutet, dass es im Netz zu wenig Erzeugungsleistung bei gleichzeitig zu hohem Verbrauch gibt.
Zielgruppen
- Planer, Errichter, Betreiber und Hersteller von dezentralen Erzeugungsanlagen für die Niederspannung: Sie erhalten klare, bundesweit einheitliche Regeln und damit mehr Planungs- und Investitionssicherheit
- Netzbetreiber: Erzeugungsanlagen in der Niederspannung verhalten sich dank weiterentwickelter Anforderungen künftig netz- und systemdienlicher
Zusammen mit der Anwendungsregel „Technische Regeln für den Anschluss von Kundenanlagen am Niederspannungsnetz und deren Betrieb“ (VDE-AR-N 4100), liegt ein Basisregelwerk für die Niederspannung vor. Beide Unterlagen sind Teil der Aktivitäten von VDE FNN, den jederzeit sicheren Systembetrieb bei steigender Aufnahme von Strom aus erneuerbaren Energien sicherzustellen.
Überarbeitung der VDE-AR-N 4105 geplant
Die VDE FNN Projektgruppe hat mit der Überarbeitung der Anwendungsregel VDE-AR-N 4105 begonnen. Im Fokus der Überarbeitung stehen dabei die Klarstellung bestehender Anforderungen und redaktionelle Korrekturen. Zum Beispiel sollen folgende Themen berücksichtigt werden:
- Anpassung Datenblätter/Protokolle (z. B. Aufnahme EnFluRi)
- Überarbeitung/Klarstellung Messkonzepte (z.B. Halbindirekte Messung)
- Prüfung: mögliche Ausweitung der PAV,E-Überwachung auf KWK-Anlagen
- Anpassungen infolge gesetzlicher Änderungen (z. B. EEG 2021)
- Berücksichtigung von FAQs
Der Überarbeitungsbedarf wird durch folgende Themen erweitert:
- Bidirektionale beziehungsweise rückspeisende Elektrofahrzeuge
- Umgang mit Prüfständen
- Einzelnachweisverfahren präzisieren
- Abgleich mit der neuen europäischen Norm EN 50549-1
- Integration der Ergebnisse aus der PG Systemanforderungen
Weiterer Überarbeitungsbedarf kann sich zukünftig aus der Weiterentwicklung der europäischen Network Codes ergeben. Eine Entwurfsveröffentlichung wird bis August 2024 angestrebt. Die Neuveröffentlichung ist im März 2026 geplant.