00_Versorgungszuverlässigkeit_Bild
VDE FNN
06.12.2023 Statistik

Versorgungszuverlässigkeit – die VDE FNN Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik

Deutschland verfügt über eines der zuverlässigsten Stromnetze in Europa. VDE FNN veröffentlicht dazu jährlich eine eigene Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik. Aktuell liegt eine Vorab-Veröffentlichung der wichtigsten Kennzahlen für das Jahr 2022 vor. Die ausführliche Statistik zum Berichtsjahr 2022 ist nun im VDE-Shop verfügbar.

Stromversorgung 2022 in Deutschland: Versorgungszuverlässigkeit auf sehr hohem Niveau

  • Sehr hohe Versorgungszuverlässigkeit aufgrund günstiger Wetterbedingungen: Nur 10,6 Minuten betrug 2022 die durchschnittliche Strom-Unterbrechungsdauer pro Kunde. Diese lag nur knapp über dem Allzeit-Bestwert von 10,2 Minuten im Jahr 2020.
  • Die durch den Ukraine-Krieg bedingte Angebotsverknappung bei Gas im Jahre 2022 bewirkte neben anderen Faktoren im Strom-Erstabsatzmarkt ein knapperes Stromangebot. Die vom Gesetzgeber vorgesehene Rückkehr in den Markt bzw. Verlängerung der Laufzeiten von Kohle- und Kernkraftwerken im Jahr 2022 hat dem entgegengewirkt. Zudem hat VDE FNN vor allem Netzbetreiber beim Umgang mit der drohenden Be- und Überlastung der Verteilnetze bei einer Gasmangellage unterstützt. Beides hat die Versorgungszuverlässigkeit unterstützt.
  • Die Stromversorgung in Deutschland ist auch 2022 weltweit eine der zuverlässigsten gewesen.
  • Die zunehmende Differenz zwischen installierter EEG-Leistung und Jahreshöchstlast erfordert bei Netzbetreibern noch mehr Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit. Abhilfe können ein Netzausbau sowie mehr Intelligenz in den angeschlossenen Anlagen, zum Beispiel in Form von steuerbaren Verbrauchseinrichtungen in der Niederspannung, leisten.
02_01_Wie lange_Bild

Wie lange ist ein Kunde nicht versorgt?

02_01_Wie lange_Bild

Die durchschnittliche Strom-Unterbrechungsdauer, auch Nichtverfügbarkeit genannt, lag 2022 bei 10,6 Minuten pro Kunde (2021: 12,1 Minuten). Außergewöhnlich selten kam es zu extremen Wetterlagen, sodass witterungsbedingte Störungen in der Stromversorgung nur im geringen Maße auftraten. Mit rund 25 Sekunden lag die Unterbrechungsdauer 2022 nur knapp über dem Allzeit-Bestwert von 10,2 Minuten im Jahr 2020. Im vergangenen Jahr war jeder Haushalt im Durchschnitt zu nahezu 99,998 Prozent mit Strom versorgt.

Die Nichtverfügbarkeit durch höhere Gewalt belief sich auf 3,0 Minuten. Grund dafür sind überwiegend lokal aufgetretene Orkane wie Antonia, Ylenia und Zeynep.

Sofern Waldbrände zu verzeichnen waren, hatten diese, wie in den vergangenen Jahren – wenn überhaupt –, nur eine marginale Auswirkung auf das Störungsgeschehen und auf die Strom-Unterbrechungsdauer.

Der Ausbau der erneuerbaren Energien hatte auch 2022 keinen erkennbaren Einfluss auf die Versorgungsqualität.

02_02_Wie oft_Bild

Wie oft ist ein Kunde nicht versorgt?

02_02_Wie oft_Bild

Die Anzahl der Versorgungsunterbrechungen pro Stromkunde lag 2022 bei 0,25 Unterbrechungen (2021: 0,26) – inklusive der auf höhere Gewalt zurückgeführten Ereignisse. Anders ausgedrückt: Jeder Kunde ist durchschnittlich nur alle vier bis fünf Jahre von einer Stromunterbrechung betroffen.

Neben Unterbrechungen aufgrund von Störungen finden auch geplante Abschaltungen statt. Diese erfolgen nach Abstimmung mit bzw. Vorankündigung bei Kunden. Diese geplanten Abschaltungen liegen auf gleichem niedrigem Niveau wie in den vergangenen Jahren – trotz weiterhin hoher Investitionen in die Netzinfrastruktur und der damit verbundenen Bautätigkeiten im Netz. Dies deutet zum Beispiel auf eine erfolgreiche Optimierung von Prozessen hin.

02_03_Deutschland im Vergleich_Bild

Deutschland im internationalen Vergleich

02_03_Deutschland im Vergleich_Bild

Im internationalen Vergleich belegt Deutschland einen Spitzenplatz bei der durchschnittlichen Unterbrechungsdauer je Stromkunde. Vergleichsgrundlage ist der sogenannte SAIDI-Wert (System Average Interruption Duration Index). Er zeigt an, wie zuverlässig die Stromnetze sind.

02_04_01_Die Netzbetreiber_Bild

Die Netzbetreiber sichern mit großem Aufwand die hohe Versorgungszuverlässigkeit

02_04_01_Die Netzbetreiber_Bild

Die Systemstabilität ist eine entscheidende Grundlage für eine sichere und zuverlässige Stromversorgung. Durch den Umbau des Energiesystems auf erneuerbare Energien nimmt die Netzauslastung zu und der Netzbetrieb wird anspruchsvoller. Gleichzeitig verzögert sich der Netzausbau. So kommt es zu Schwankungen bei Frequenz und Spannung – vermehrt entstehen Engpässe. Um alle Kunden sicher und zuverlässig mit Strom zu versorgen und dabei vorrangig erneuerbare Energien einzuspeisen, müssen die Netzbetreiber die Engpässe beseitigen und korrigierend eingreifen. Die Aufwendungen dafür steigen seit einigen Jahren.

Nachfolgend werden hierzu die aktuell vorliegenden Daten aus dem Monitoringbericht 2022 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt ausgewertet, welche sich auf das Jahr 2021 beziehen.

2021 konnten laut Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt rund 27.400 Gigawattstunden Strom von Erzeugungsanlagen nicht wie geplant eingespeist werden. Diese Menge entspricht rund 4,9 Prozent (2020: 4,3 Prozent) des Jahresbrutto-Inlandstromverbrauchs. Dieser lag 2021 bei 557,3 Terrawattstunden (2020: 532,8 Terrawattstunden). Der leichte Rückgang des Jahresbrutto-Inlandstromverbrauchs im Jahr 2020 ist dabei wesentlich durch die Corona-Pandemie bestimmt. Unsere Grafik zeigt die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit von 2014 bis 2021.

Verzögerter Netzausbau

Laut Monitoringbericht 2022 von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt sind von den gesamten Netzausbau-Maßnahmen nach Energieleitungsausbaugesetz (EnLAG, Ausfertigungsdatum: 21.08.2009) 68 Prozent zum Ende des zweiten Quartals 2022 fertiggestellt worden, das heißt 1.248 Kilometer von geplanten 1.821 Kilometern. Von den Netzausbau-Maßnahmen nach Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG, Ausfertigungsdatum: 23.07.2013) sind zum Ende des zweiten Quartals 2022 nur 8,5 Prozent (886 km) von insgesamt 10.413 km realisiert worden. Über den konkreten Stand des Ausbaus des Höchstspannungsnetzes informiert die VDE FNN Karte „Deutsches Höchstspannungsnetz“.

Für die Anpassung von konventionellen Kraftwerken haben Netzbetreiber 2021 rund 1.479 Mio. Euro an Entschädigungen gezahlt (2020: 637 Mio. Euro). Die Entschädigungen für Erneuerbare-Energien-Anlagen schlugen 2021 mit rund 807 Mio. Euro zu Buche (2020: 761 Mio. Euro). Dieser hohe Aufwand ist notwendig, um die hohe Zuverlässigkeit der Stromversorgung zu sichern. Die gezahlten Entschädigungen sind somit gegenüber 2020 in Summe um rund 63 Prozent gestiegen. Unsere Grafik zeigt die Entschädigungen für die Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit von 2014 bis 2021.

Hauptgründe für den Anstieg der nicht wie geplant eingespeisten Strom-Mengen und deren Kosten sind hauptsächlich Nichtverfügbarkeiten von Kraftwerken, Reparaturarbeiten an einem Umspannwerk im vierten Quartal 2021 sowie die stark gestiegenen Großhandelspreise im zweiten Halbjahr 2021.

Es gibt eine zunehmende Differenz zwischen der installierten Leistung gemäß Erneuerbaren-Energien-Gesetz (installierte EEG-Leistung) und Jahreshöchstlast. Unsere Grafik zeigt die Differenzen zwischen 2014 und 2021. Wegen der EEG-Vorrangeinspeisung, die stark schwankend ist, nehmen die möglichen Betriebsfälle zu, in denen steuernd eingegriffen werden muss. Dies äußert sich unter anderem in den steigenden Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Netz- und Systemsicherheit. Abhilfe schafft neben Netzausbau auch Mess- und Steuerungstechnik, mit der Netzbetreiber steuernd eingreifen dürfen.

Spannungseinbrüche werden durch kurzschlussartige Feher verursacht

Wenige Kurzschlüsse, hohe Spannungsqualität

Spannungseinbrüche werden durch kurzschlussartige Feher verursacht

Die 2022 ermittelte Anzahl kurzschlussartiger Fehler liegt im Rahmen der üblichen zufallsbedingten Schwankungsbreite. Für Industrie- und Gewerbekunden mit Geräten und Anlagen, die hochempfindlich auf kurzzeitige Spannungseinbrüche reagieren, ist das Ergebnis von 1,90 (Fehler pro 100 km) in der Mittelspannung und 2,79 (Fehler pro 100 km) in der Hoch- und Höchstspannung sehr positiv.

Kurzschlüsse sind oft Ursache für Spannungseinbrüche und damit Ausfall oder Beeinträchtigungen von Industrieanlagen. Meist führen äußere Einflüsse, wie z. B. atmosphärische oder fremde Einwirkung, zu Kurzschlüssen. Beispiele dafür sind etwa Blitzeinschläge oder wenn bei Bauarbeiten die Leitung durch Maschinen beschädigt wird. Da die Einflüsse stark zufällig sein können, können zwischen den Jahren Schwankungen auftreten.

Illustrationen

Werkzeuge und Hilfsmittel zur Datenerfassung und Auswertung

Die VDE FNN Störungs- und Verfügbarkeitsstatistik

  • liefert einen belastbaren Überblick über das Störungsaufkommen in deutschen Netzen der allgemeinen elektrischen Energieversorgung und die Grundlage für die Bewertung von erkennbaren Entwicklungen
  • liefert Netzbetreibern eine verlässliche Grundlage, um Maßnahmen für einen weiter sicheren Netzbetrieb abzuleiten
  • sichert aufgrund des umfangreichen Erfassungsschemas eine sachgerechte Interpretation der Kennzahlen aus der Verfügbarkeitsstatistik und deren Tendenzen
  • ist Basis zur Untersuchung der Einflussgrößen auf die Versorgungszuverlässigkeit
  • ist unverzichtbare Grundlage zur Ableitung von betriebsmittelbezogenen Kenndaten als Eingangsdaten für probabilistische Zuverlässigkeitsberechnungen
  • ist Grundlage für eine sachgerechte Ausgestaltung der Qualitätsregulierung der Bundesnetzagentur

Die Versorgungszuverlässigkeit ist gekennzeichnet durch die Anzahl und Dauer der Versorgungsunterbrechungen. Es wird unterschieden nach geplanten und zufälligen Versorgungsunterbrechungen. Über geplante Versorgungsunterbrechungen, z. B. infolge von regulären Arbeiten im Netz, werden die betroffenen Netzkunden im Voraus informiert, so dass deren Auswirkungen von den Netzkunden durch geeignete Maßnahmen auf ein Minimum reduziert werden können. Zufällige und somit unvorhersehbare Versorgungsunterbrechungen treten infolge von andauernden oder vorübergehenden Störungen auf. Der Netzbetreiber handelt vor diesem Hintergrund im Rahmen eines effizienten Netzbetriebes.

Die Zuverlässigkeitskenngrößen eines Netzbetreibers unterliegen stochastischen Streuungen. Dies liegt vor allem daran, dass der Großteil der Störungen von netzbetreiberunabhängigen Faktoren verursacht wird, wie insbesondere "atmosphärische Einwirkungen" (vor allem Sturm und Gewitter).

Grundlage der VDE FNN Statistik ist die Datenerfassung von rund 75 % der gesamten Stromkreislängen. Sie ist die umfassendste in Deutschland. Die FNN Störungsstatistik wird jedes Jahr im Herbst veröffentlicht und ist zentraler Maßstab für die erfolgreiche Umsetzung der Energiewende in Deutschland.