Valerii Osadchuk
Zunächst einmal lenkte die Invasion Russlands in der Ukraine – einem der größten Staaten Europas – die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf ein Thema, das zuvor kaum diskutiert worden war: die Sicherstellung des Funktionierens des Stromnetzes unter Bedingungen umfassender Feindseligkeiten und gezielter Angriffe auf kritische zivile Infrastruktur.
Der erste massive Angriff auf die Anlagen des ukrainischen Übertragungsnetzes erfolgte am 11. September 2022. An diesem Tag wurden aufgrund russischer Raketenangriffe mehrere Mitarbeiter von NPC Ukrenergo an ihrem Arbeitsplatz getötet – Mitarbeiter von Umspannwerken, die lediglich ihre Arbeit verrichteten, um die Stromversorgung aufrechtzuerhalten. Nach diesem Angriff wurde klar, dass weitere Angriffe folgen würden und dringende Vorbereitungen erforderlich waren.
Ukrenergo begann umgehend mit der Stärkung der Widerstandsfähigkeit des ukrainischen Stromnetzes. Gemeinsam mit der Regierung identifizierte das Unternehmen wichtige Übertragungsnetzanlagen, deren Hochspannungsausrüstung vor russischen Raketen- und Drohnenangriffen geschützt werden musste. In kurzer Zeit errichtete Ukrenergo eigenständig einen Sofortschutz an allen Anlagen – Sandsäcke und Gabionen zum Schutz vor Kollateralschäden (Splitter) im Falle von Drohnenangriffen. Später begannen die Arbeiten für einen umfassenderen Schutz – massive Stahlbetonkonstruktionen, die Transformatoren vor direkten Treffern durch Drohnen und Raketensplittern schützen sollen. Diese Bemühungen dauern bis heute an.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass mehrere Faktoren entscheidend sind, um dem Energieterrorismus des Aggressorstaates wirksam entgegenzuwirken:
- Aufrechterhaltung von Reserven an Hochspannungsanlagen, insbesondere Transformatoren, um eine Notfallwiederherstellung zu ermöglichen. Die Herstellung eines leistungsstarken Transformators dauert mehrere Monate bis über ein Jahr; solche Anlagen sind äußerst selten und auf dem Markt nicht ohne Weiteres erhältlich. Dank umfangreicher internationaler Finanz- und Geberhilfe gelang es Ukrenergo, die Stabilität des Stromnetzes in den ersten Jahren des umfassenden Krieges aufrechtzuerhalten, und die weitere Unterstützung ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung.
- Physischer Schutz für wichtige Anlagen des Übertragungsnetzes. Unsere Partner sind besonders an den weitreichenden Erfahrungen von Ukrenergo interessiert mit innovativen Lösungen, wie beispielsweise der unterirdischen Verlegung wichtiger Komponenten von Umspannwerken, einschließlich Kontrollräumen.
Eine ausreichende Anzahl qualifizierter, eigener Reparaturfachkräfte. Im Laufe des Krieges haben die Teams von Ukrenergo einzigartiges Fachwissen entwickelt. So wurde beispielsweise im vergangenen Jahr in einem vom Feind beschädigten Umspannwerk der Austausch eines Transformators (einschließlich Lieferung, Installation und Anschluss) in nur 21 Tagen abgeschlossen. In anderen europäischen Ländern dauern ähnliche Arbeiten in der Regel 3–4 Monate. Ein großer Vorteil für Ukrenergo sind die eigenen Vollzeit-Reparaturteams, im Gegensatz zu vielen anderen Netzbetreibern weltweit, die stark auf Auftragnehmer angewiesen sind, die Aufträge jederzeit ablehnen können.