Ausreichend netzbildende Eigenschaften von Kundenanlagen im Stromversorgungssystem sind eine essenzielle Voraussetzung für die Systemstabilität und damit für die Versorgungssicherheit. Eine wichtige Fähigkeit netzbildender Kundenanlagen ist die Bereitstellung von Momentanreserve. Diese soll zukünftig marktlich beschafft werden, da sich die Bedarfe an Momentanreserve in der Systemtransformation zu 100 Prozent Erneuerbaren-Energien-Anlagen signifikant erhöhen. Die marktliche Beschaffung von Momentanreserve ist auch ein wichtiger Meilenstein in der Roadmap Systemstabilität des BMWK und auf dem Weg zur Etablierung netzbildender Stromrichter. Hierfür wurde mit dem VDE FNN Hinweis ein wichtiges Fundament für die zukünftige Sicherstellung der Systemstabilität geschaffen.
Netzbildende Eigenschaften entscheidend für Systemstabilität
Das Wichtigste in Kürze
- schafft die technischen Rahmenbedingungen für eine marktliche Beschaffung von Momentanreserve
- legt die dafür erforderlichen Anforderungen an netzbildende Einheiten in den Netzebenen NE1 bis NE5 fest
- beschreibt die Vorgehensweise zur messtechnischen Prüfung und simulativen Bewertung von netzbildenden Einheiten, und schafft gemeinsam mit einem Beiblatt der FGW TR8 die Grundlage zu ihrer Zertifizierung
Der Anforderungs- und Nachweisteil des Hinweises wurden zuvor getrennt voneinander konsultiert. Der Anforderungsteil lag der Fachöffentlichkeit zwischen Februar und März 2024 und der Nachweisteil zwischen Juli und August 2024 zur Konsultation vor. Der finale VDE FNN Hinweis führt Anforderungen und Nachweise wieder zusammen. Er kann angewendet werden von:
- Netzbildenden Erzeugungseinheiten von Typ-1 bzw. Typ-2
- Netzbildenden Erzeugungs- und Speichereinheiten
- Netzbildenden Speichern
- Netzbildenden regelbaren Bezugseinheiten.
Der Hinweis beschreibt auch die Möglichkeit bestehende Typ-2-Einheiten mit netzfolgender Technologie in netzbildende Einheiten umzurüsten.
Hintergrund: Rückbau von Konventionellen, Zubau von Erneuerbaren
Der zunehmende Rückbau von konventionellen Erzeugungsanlagen und der damit einhergehende Verlust netzbildender Eigenschaften im System führt zu neuen Herausforderungen bei der Sicherstellung der Systemstabilität auf gesamteuropäischer Ebene. Diese Herausforderungen gehen im Wesentlichen auf den ambitionierten Zubau von umrichterbasierten Kundenanlagen zurück. Diese sind nach aktuellem Stand der Technik netzfolgend und damit auf die stabilisierenden Eigenschaften Momentanreserve und Kurzschlussleistung der netzbildenden Anlagen angewiesen. Beide zusammen liefern die Grundlage für einen stabilen Betrieb der netzfolgenden Anlagen. Ohne diese können netzfolgende Anlagen nicht betrieben werden. Die schnellstmögliche Einfuhr netzbildender Eigenschaften im Stromnetz ist daher essenziell.
Marktliche Beschaffung von Momentanreserve
Die Bedarfe an Momentanreserve steigen in den nächsten Jahren signifikant an. Dies zeigt insbesondere der Netzentwicklungsplan für das Jahr 2035 aus dem Jahr 2021 sowie der Netzentwicklungsplan für das Jahr 2037 aus dem Jahr 2023 auf. Um dem zu begegnen, soll Momentanreserve zukünftig marktlich beschafft werden. Die Bundesnetzagentur hat daher eine Festlegung gemäß §§ 12h Absatz 5 und 29 Absatz 1 EnWG zu den Spezifikationen und technischen Anforderungen der transparenten, diskriminierungsfreien und marktgestützten Beschaffung der nicht frequenzgebundenen Systemdienstleistung „Trägheit der lokalen Netzstabilität“ („Momentanreserve“) gemäß § 12h Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 EnWG getroffen. In dieser Festlegung ist als Voraussetzung der marktlichen Beschaffung von Momentanreserve die am 18. Dezember 2020 seitens der Bundesnetzagentur festgelegte Ausnahme für Momentanreserve von der marktlichen Beschaffung aufgehoben worden. Das zugehörige Beschaffungskonzept „Momentanreserve“ legt die regulatorische Grundlage für den Startschuss des Momentanreservemarktes.